Impfen ist eine Sozialverpflichtung für jeden, findet Professor Hubertus von Voss - und beschreibt seine Sicht auf aktuelle Ereignisse.
Zu der Diskussion zum Impfen bei Kindern im Deutschen Ärzteblatt (2015) erscheint zum richtigen Zeitpunkt die "Impffibel für Medizinische Berufe" vom Deutschen Grünen Kreuz e. V. aus Marburg. Zwei hoch erfahrene Autorinnen stellen darin in anschaulicher Weise das Wissen zur Bedeutung von Impfungen zusammen.
Das Buch richtet sich dabei nicht nur an Ärzte, sondern auch an Praxismitarbeiter, an Personal in Apotheken und Hebammen. Von klinischer und praktischer Bedeutung sind insbesondere die Kapitel Kontraindikationen und Impfnebenwirkungen (Lokal- und Allgemeinreaktionen; Impfkomplikationen und Impfschaden; Was muss gemeldet werden?). Wer diese Kapitel oder das Kapitel zu Begleitsubstanzen in Impfstoffen liest, kann nicht nachvollziehen, warum ohne heftigen Widerspruch der deutschen Kinder- und Jugendärzte Leserbriefe im Deutschen Ärzteblatt 2015 u. a. zu dem Thema "Mehr Differenzierung wünschenswert" [Hirte M (2015) 112 (23): 402] erscheinen.
Impfempfehlungen sind nicht bevormundend
Vergessen wird dabei, dass in Deutschland z. B. Masernerkrankungen bei ungeimpften Kindern in manchen Bundesländern rapide angestiegen sind, schwere und lebensbedrohliche Komplikationen einzelne Kinder für immer schwer schädigten, ja manche auch gestorben sind. Die Aussage also von z. B. Hirte – "Die niedrigen Durchimpfungsraten in Süddeutschland könnte man daher auch positiv sehen: Hier leben offensichtlich mehr Menschen, die sich nicht bevormunden lassen" – muss zynisch anmuten. Impfempfehlungen z. B. der STIKO sind zu keiner Zeit bevormundend gewesen – im Gegenteil. Leider sind aber die Impfkurse in Deutschland für Kinderärzte und Ärzte generell nicht mehr als Pflichtveranstaltung vorgesehen, um den Facharzttitel erwerben zu können. Dies bedeutet, dass sicherlich viele Ärzte sich wegen teilweiser Unkenntnis zum Impfen generell mit Argumenten verführen lassen, die zu einer Impfmüdigkeit, ja sogar Impfignoranz führten.
Impfen bedeutet eine Sozialverpflichtung für jeden. Dies werden nun z. B. auch Eltern aus der Marburger Region erkannt haben, wo in einer Waldorf-Schule eine große Zahl von Kindern an Masern erkrankte, da Anti-Impf-Ideologen dort die soziale Verpflichtung nicht anerkannt hatten. Irgendwann wird es so weit sein, dass Ärzte, die unbegründet nicht impfen wollen, mit Haftpflichtprozessen konfrontiert werden. Und Eltern ebenso, die eine staatliche Verpflichtung mit der Geburt eines Kindes übernehmen, ihr Kind vor vermeidbaren Krankheiten zu schützen. Dazu zählen als primäre Präventionsmaßnahme unzweifelhaft die Schutzimpfungen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), das Deutsche Grüne Kreuz e. V. und die STIKO zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut müssen Treibriemen entwickeln, die Unwissenheit zum Impfen und seinen Vorzügen überwinden zu können. Dass auch der Berufsverband der Deutschen Kinder- und Jugendärzte die ihnen zughörigen Kinderärzte zum Impfen fortbilden muss, damit sie mit Wissen – und nicht Unwissen – die Eltern zum Impfen ihrer Kinder beraten können, dies hat der Präsident, Dr. med. Wolfram Hartmann, auf den Punkt gebracht, wenn er formuliert: "Nicht wenige tun ihre persönliche Meinung zum Impfen kund (gemeint sind die Kinderärzte in der Praxis) und verunsichern die Eltern. Zum Teil sind sie selbst nicht geimpft und stellen somit eine nicht zu verantwortende Gefahr für die Neugeborenen dar."
Impffibel – auch für Impfgegner
Deshalb enthält die Impffibel auch ein Kapitel zur Impfaufklärung und Dokumentation dieser und der Impfung selbst. Die Impffibel aus Marburg ersetzt nicht den Impfkurs, ist aber ein schriftlich verfasster Impfkurs, den auch die Impfgegner lesen müssten.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2015; 86 (5) Seite 307