Ein faktischer Zwang alleine führt nicht zu höheren Impfquoten. Was muss hinzukommen und wie sind die Erfahrungen damit?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Mitte Juli ein Gesetz für eine Impfpflicht gegen Masern auf den Weg gebracht, das ab März 2020 gelten soll.

Doch Experten sind sich einig: Wegen der großen Impflücken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ließen sich mit einer Impfpflicht bei Kindern entscheidende Lücken beim Schutz nicht unmittelbar schließen. Dazu seien zusätzliche gezielte Nachholimpfungen in schlecht geschützten Altersgruppen dringend nötig, die zudem flankiert werden müssten mit vertrauensbildender Kommunikation, Recall-Systemen und elektronischen Impfregistern.

Wie sieht es in anderen Ländern aus, zum Beispiel in Italien und Frankreich? In beiden Ländern sind einige Basisimpfungen wie gegen Diphtherie, Tetanus (DT) und Polio bei Kindern schon lange Pflicht. Weitere Impfungen sind auch weiterhin nur empfohlen.
Angesichts der Masern-Ausbrüche wurde in Italien die Pflicht im Sommer 2017 auf zehn Impfungen ausgedehnt (DT, Pertussis, Polio, HepB, Hib sowie MMR und Varizellen). Frankreich folgte Ende 2017, wobei dort von den zehn Impfungen in Italien Varizellen nicht obligatorisch sind, dafür aber zusätzlich der Schutz gegen Meningokokken C und Pneumokokken.

In Frankreich sind die Impfraten im ersten Jahr der erweiterten Pflicht deutlich gestiegen. Zum Beispiel von 74,7 auf 77,7 Prozent bei der ersten MMR-Dosis im ersten Lebensjahr oder auch von 92 auf 98 Prozent bei der ersten HepB-Dosis. Besonders erfolgreich war die Pflicht bei der MenC-Impfung mit einer Steigerung der Raten von 39,3 auf 75,7 Prozent.

Auch in Italien sind in den zwei Jahren nach Einführung der erweiterten Impfpflicht die Impfraten deutlich gestiegen. So gingen die Raten beim Masernschutz je nach Region um drei bis sieben Prozent nach oben. Die für die Masern-Elimination nötigen 95 Prozent Durchimpfung wurden dabei fast erreicht, betonen die Autoren.

Anders als in Frankreich mit einer Impfpflicht für Kleinkinder gibt es hier wegen der obligatorischen Impfungen bis zum 16. Lebensjahr viele Widerstände. Die neue populistische Regierung diskutiert daher einen Gesetzentwurf, Pflichtimpfungen künftig auf Masern zu beschränken.

In Finnland werden hohe Schutzraten sogar ohne Impfpflicht erreicht. Das Erfolgsgeheimnis dort: Elektronische Impfregister, Recall Systeme, aktive und motivierende Impfberatung von hierin ausgebildeten Ärzten, Impfungen am Arbeitsplatz sowie von Krankenschwestern und Apothekern. Das Besondere dabei: zuständig für die Kontrolle ist der Arbeitgeber und nicht wie sonst üblich der Staat.


Quelle: Ärzte Zeitung | ras