Die Kinderarztpraxen stehen im Frühjahr 2023 vor einer neuen Herausforderung: Was tun, wenn ein Lieferengpass für Fieber-, Schmerzmittel und Antibiotika besteht? Vorschläge von Kinderarzt Dr. Landzettel, um in der Not den Notfall zu sichern.
Auf dem langen Weg der zunehmenden Verknappung der Ressourcen gibt es wieder eine neue Bewältigungsprobe in den Praxen. Nach dem Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zu Beginn der COVID-Pandemie, dem Mangel an RNA-Impfstoffen zu Beginn der Impfkampagnen, ist nun am vorläufigen Pandemieende mitten in der Infektzeit des Frühjahrs 2023 ein neuer Mangel feststellbar: Es fehlen Fieber-/Schmerzmittel und Antibiotika!
Die Ursachen hierfür sind vielfältig: So sind aufgrund der COVID-Pandemie aber auch des Ukraine-Krieges gewohnte Versorgungswege und Versorgungsstrukturen kollabiert. In der Infektzeit sind nach Wegfall der strikten Hygieneverordnungen und der Maskenpflicht wieder mehr Kinder und Jugendliche erkrankt; so hatten wir Scharlach in den vergangenen Jahren nicht gesehen. Nun haben wir eine Erkrankungswelle quer durch die Gemeinschaftseinrichtungen. Dies führt zu einem höheren Verbrauch der knappen Arzneimittel.
Nun rächt sich auch die knausrige Finanzierung über die Festbeträge und Rabattverträge durch die Krankenkassen. Lange Zeit wurden diese als unschlagbarer finanzieller Schachzug von den Kassen groß vermarktet [1]. Jetzt stellt sich aber heraus, dass gerade diese Regulierungen mit ein Grund für die Unwirtschaftlichkeit einer Arzneimittelherstellung in Deutschland und der Abwanderung in Billiglohnländer sind.
Ich möchte derzeit nicht in der Haut der Apotheker stecken, die tapfer versuchen, dem erhöhten Bedarf bei geringem Angebot zu trotzen. Aus Apotheken sind Knappotheken geworden. Die lernfähigen KI-Systeme können eigentlich durch eine Trenderkennung die Nachbestellung im Großhandel nachjustieren. Nun kommen sie an ihre Grenzen, da der Großhandel selbst nicht mehr liefern kann. Manche Apotheken helfen sich gegenseitig aus und gleichen ihre vorhandenen Arzneien miteinander ab. Da Apotheken aber auch Unternehmen sind und gewinnoptimiert arbeiten, ist dies keine Selbstverständlichkeit. Es gibt auch keine zentrale Abfrage der verfügbaren Arzneimittel, wie z. B. im Rettungsdienst die IVENA-Abfrage für freie Krankenhausbetten [2].
Wie also vorgehen, wenn ein Lieferengpass besteht (nach Definition des BfArM eine bundesweite Nichtverfügbarkeit über 2 Wochen)?
- Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat eine Übersicht für eine alternative Verordnung bei Knappheit der Antibiotika veröffentlicht [3]. Diese stellt eine gute Handreichung für die Praxis und den Notdienst dar. Es ist dabei stets auf eine klare Indikation zur Verordnung von Antibiotika zu achten.
- Bessere Vernetzung der Praxen mit den Apotheken mit Weitergabe von Durchwahlnummern für eine schnellere Rücksprache mit den Praxen und den Notdiensten. Auch der Einsatz der KIM-Mail wäre hier eine sinnvolle Ergänzung.
- Rückmeldung über in den Praxen wahrgenommene Krankheitstendenzen. Aus den Praxen könnten sicher noch viel mehr Sentinel-Daten erhoben werden. Auch hierbei wäre eine noch bessere Vernetzung der Praxen untereinander wünschenswert.
- Im Notdienst ein Vorababfragen der Bestände bei der Notdienst-Apotheke, damit sich beide Seiten darauf einstellen können.
Das sind aber alles nur Vorschläge, um in der Not den Notfall zu sichern. Für eine dauerhafte Lösung müssen wir nachhaltige Strukturen schaffen. Das kann einzig und allein die Politik erreichen.
Dr. med. Markus Landzettel, Darmstadt
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (3) Seite 156