Raimund Schmid wurde am 15. 10. 2020 mit dem von Theodor Heuss im Jahr 1951 gestifteten Bundesverdienstkreuz am Bande für sein Lebenswerk "Kindernetzwerk e. V." durch den Regierungspräsidenten von Unterfranken, Dr. Eugen Ehmann, ausgezeichnet.

Dieses Lebenswerk nahm 1992 seinen Anfang in Brixen/Südtirol, dort wurde Kindernetzwerk e. V. gegründet. Dies geschah vor dem Hintergrund der jährlichen Brixener Tagungen der Sozialpädiatrie als Fachgebiet in der Kinder- und Jugendmedizin.

Die Arbeit als Bundesgeschäftsführer über mehr als zwei Jahrzehnte für das Kindernetzwerk gipfelte im II. Berliner Appell im Jahr 2018 mit den Themen: "Den Alltag sicherstellen", "Für finanzielle Sicherheit sorgen", "Ökonomisierung in der Pädiatrie stoppen", "Mehr Lotsen bereitstellen", "Die Transition strukturell und finanziell regeln", "Kinderrechte und Kinderbewusstsein verankern", "Forschung der Kindergesundheit stärken" und "Die Inklusion voranbringen". Diese Themen richteten sich in gleicher Weise an Kinder und Jugendliche mit Defiziten in der Entwicklung, wie auch an die Helfer, effektive Hilfen bereit zu stellen. Damit wurde klar, dass Fachleute ebenso angesprochen werden sollten wie Politiker.

Mit der Gründung dieser gemeinnützigen Vereinigung begann somit eine groß angelegte Arbeit für Eltern-Selbsthilfegruppen in Deutschland, zugleich eine Arbeit für vielfach "vergessene Kinder und Jugendliche". Anders ausgedrückt: Die Pädiatrie erhielt einen bis heute nachhaltigen Impuls, wie er in keinem anderen Fachgebiet der Medizin bis heute in diesem Umfang vorhanden ist. Eltern von kranken Kindern sollten mehr als je zuvor mit ihren Erfahrungen zu der Krankheit bei ihren Kindern und Jugendlichen gehört werden. Gravierende Kommunikationsprobleme zwischen Kinderärzten und Eltern waren offenkundig geworden. Diese sollten überwunden werden. Als Bundesgeschäftsführer hat Raimund Schmid paradigmatisch ein Fenster in der Pädiatrie aufgestoßen, an welches sich die Kinder- und Jugendärzte langsam gewöhnten, heute aber Kindernetzwerk e. V. mit seinen Angeboten in ihre tägliche Arbeit integrieren. Eltern sind heutzutage oft bestens informiert über die Erkrankungen ihrer Kinder, auch über "seltene Krankheiten", und sind vielfach erfahren im Umgang mit Internetinformationen zu den Problemen ihrer Kinder. Dieses Wissen von ärztlicher Seite u. a. zu nutzen, dies propagierte mit Erfolg Kindernetzwerk.

Raimund Schmid hat als Bundesgeschäftsführer mit dem Vorstand – vor allem auch mit Mitgliedern und mit dem Fachberaterkreis – Konzepte entwickelt, die Versorgung von kranken Kindern durch mehr Kooperation der pädiatrischen Fachgruppen untereinander zu verbessern. Hiervon sollten vor allem gerade auch Kinder und Jugendliche mit "seltenen Krankheiten", aber auch chronischen Krankheiten profitieren. Was niemand glauben konnte, erkannten die Eltern-Selbsthilfegruppen in Deutschland sehr schnell: dass sie für ihre Kinder mehr erreichen können, wenn ein Dachverband ihre Interessen identifiziert, bündelt und damit verhindert wird, dass Egoismen die Durchsetzung von gemeinsamen Zielen verhindern. Eltern von kranken Kindern sollten vor allem bei unklaren Ursachen über Kindernetzwerk Hinweise zur Identifizierung von Krankheiten erhalten. Mit Akribie wurde ein Schlagwortverzeichnis zu vor allem seltenen Krankheiten aufgebaut. Diese Datenbank wurde zur Basis für Informationsschriften für Eltern, die von ehrenamtlich arbeitenden Fachberatern erstellt worden waren und kostenlos abgerufen werden konnten.

Auch als herausragender Journalist sollte Raimund Schmid mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden. Seine Fähigkeiten, schwierige Fragestellungen in der Pädiatrie und Sozialpädiatrie mit seiner journalistischen Begabung verständlich zu beantworten, konnte die Öffentlichkeit sehr schnell erkennen. Aus einer Auswahl von Themen, die Grundlage von Publikationen (siehe Kasten links) wurde, wird schnell erkennbar, wie weit und umsichtig informiert werden sollte. Dies erkannten die Vertreter der Eltern-Selbsthilfegruppen sehr schnell, nicht weniger Kinder- und Jugendärzte bundesweit. Seine Ehefrau, Katharina Schmid, wurde ebenfalls beim Kindernetzwerk aktiv tätig. Als Beispiel hierfür ist das von ihr erarbeitete "Humangenetische Glossar" zu nennen.

Auswahl einiger Publikationen von Raimund Schmid
  • Wegweiser Reihe "Wer hilft weiter" zu Eltern-Selbsthilfegruppen, Rehakliniken für Kinder und Jugendlich sowie zu (sexueller) Gewalt gegen Kinder (seit 1999, zum Teil in mehreren Auflagen)
  • Bundesweite Zeitschrift "Kinder Spezial" über Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit speziellen Bedürfnissen (seit 1999, 66 Ausgaben bis heute)
  • Vergessene Kinder in Deutschland – Publikationen zu 10 und 20 Jahre Kindernetzwerk in Deutschland (2002 und 2012)
  • Familien und chronisch kranke und pflegebedürftige Kinder – Ergebnisse einer bundesweiten Kindernetzwerk-Umfrage (2006)
  • Therapieverfahren bei infantiler Cerebralparese – ein Überblick für Eltern (2006, Neuauflage 2017)
  • KNW konkret – Sammlung von Fallbeispielen aus 20 Jahren Kindernetzwerk-Arbeit (2012)
  • Familie im Fokus – Lebenssituation von Familien mit chronisch kranken und behinderten Kindern in Deutschland zusammen mit dem AOK-Bundesverband (2014)
  • Teilhabe für Familien mit besonderem Bedarf – ein Online-Wegweiser (2016)
  • Familienmedizin und familienorientierte Selbsthilfe im Lebensverlauf von Kindern und Jugendlichen (2018)
  • Viel zu viel und doch zu wenig – Unter- und Überversorgung in der Medizin, speziell in der Pädiatrie (erscheint Anfang 2021 im Elsevier-Verlag)

Auch in der Gesundheitspolitik wurde Raimund Schmid gehört. Gleiches galt für den Bundesverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Letzteren überzeugte er, dass Eltern von kranken Kindern und Jugendlichen mit ebenso anderen betroffenen Eltern sich an Wochenendseminaren austauschen sollten. Hierfür übernahmen die Krankenkassen die Finanzierung. Gleiches galt für Jugendliche, z. B. mit "seltenen Krankheiten". Auch sie sollten sich bei bestens organisierten Treffen austauschen können. Mehr und mehr erlangten sie einen Status der Mitsprache zu wichtigen Themen, z. B. Rehabilitation, Berufsausbildung, Akzeptanz ihrer Krankheit. In der Vorstandsarbeit wurden sie selbstbewusst aktiv. An das erste Motto von Kindernetzwerk e. V. soll erinnert werden, welches als Frage, schließlich als Buch und Nachschlagewerk bundesweit bekannt wurde: "Wer hilft weiter". Die Antwort hierzu kann heute gegeben werden, sie lautet: Raimund Schmid.

Kindernetzwerk e. V. ist in der Pädiatrie und Sozialpädiatrie nicht nur angekommen, dieser Dachverband wird geschätzt, angefragt und ist zu einer Säule der pädiatrisch-sozialpädiatrischen Kompetenz geworden. Dies ist das eigentliche Verdienst von Raimund Schmid. Herausragend sind hierbei die in Berlin konzipierten und verabschiedeten "Berliner Appelle" (siehe oben), die bei Ärzten und sich für Kinder verantwortlich fühlenden Politikern große Bedeutung erlangten.

Das Verdienstkreuz am Bande – verliehen im Fürstensaal der Würzburger Residenz – ist das in der Öffentlichkeit wahrgenommene Zeichen dafür, dass Raimund Schmid eine außergewöhnliche Arbeit für Kinder und ihre Familien über mehr als 20 Jahre geleistet hat, im Gesundheitswesen ebenso wie im Sozialsystem unseres Landes. Alle Pädiater in Deutschland kennen und schätzen ihn, vor allem aber gratulieren sie sehr herzlich und dankbar!



Korrespondenzadresse
© Monica Garduno
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hubertus von Voss

Ehrenvorsitzender Kindernetzwerk e. V.
Hartwaldstraße 5
81377 München

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (1) Seite 46-47