Seit dem 01. 07. 2023 gelten grundlegende Änderungen bei der Vergabe von Rehabilitationsleistungen. Dies betrifft auch in wesentlichen Bereichen die Kinder- und Jugendrehabilitation. Über die Neuregelungen, die bisher noch wenig bekannt sind, informiert der folgende Beitrag.
Das neue Gesetz stärkt zunächst einmal das schon bisher bestehende Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten im Antrag auf Leistung zur Rehabilitation für Kinder- und Jugendliche (Deutsche Rentenversicherung (DRV)-Formular G0200). Hier können vom Versicherten bis zu drei Wünsche einer entsprechenden Rehabilitationseinrichtung eingetragen werden.
Fall Luisa, 5 Jahre, Diagnose: umschriebene Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache
Die 5-jährige Louisa soll eine Sprachreha bekommen, weil die bisher intensive ambulante Sprachtherapie noch keine deutlichen Fortschritte gebracht hat. Die Eltern tragen in ihrem Antrag auf Rehabilitation (Formular G0200) in Absprache mit ihrem Kinder- und Jugendarzt ihre Wunschklink ein.
Die Deutsche Rentenversicherung prüft, ob die Klinik fachlich geeignet ist und über die entsprechenden Qualitätsstandards verfügt. Sollte dies der Fall sein, wird die Wunschklinik bewilligt. Von der Wunschklinik erhält die Familie einen Aufnahmetermin.
Sollte die Aufnahme seitens der Klinik nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer der Kostenzusage möglich sein, bittet die Klinik die Familie (Versicherte), die Bewilligungsdauer von der deutschen Rentenversicherung bis zum geplanten Aufnahmetermin verlängern zu lassen. Dies ist nach dem neuen Gesetz nur noch durch die Versicherten selbst – und nicht mehr auf Initiative des Kinder- und Jugendarztes – möglich, wird aber von der Rentenversicherung in der Regel
bewilligt.
Fall Dominik, 11 Jahre, Diagnosen: Adipositas, ADHS, emotionale Störung
Für Dominik wird eine stationäre Rehabilitation vom SPZ vorgeschlagen und von den Eltern beantragt. Nach unseren bisherigen Erfahrungen nimmt nur jeder 4. Versicherte das Wunsch- und Wahlrecht in Anspruch. Das war auch bei Dominik nicht der Fall. Da bei ihm keine Wunschklinik angegeben wurde, schlägt die deutsche Rentenversicherung 4 Vertragskliniken vor. Die Klinikauswahl erfolgt rechnergestützt nach folgendem Algorithmus:
- Qualitätspunkte der Einrichtung nach dem Qualitätsstandard der deutschen Rentenversicherung, Gewichtung zu 50 %
- Entfernung vom Wohnort, Gewichtung zu 10 %
- Wartezeit von der Kostenzusage bis Klinikaufnahme, Gewichtung zu 40 %
Auch hier ist es noch jederzeit möglich, den Vorschlägen zu widersprechen und unter Berufung auf das Wunsch- und Wahlrecht selbst eine Klinik vorzuschlagen.
Problem: Wartezeiten in Rehakliniken
Da die Kliniken für Kinder- und Jugendrehabilitation mit einem zumeist hohen Qualitätsniveau häufig sehr stark ausgelastet sind, stellt hier die Wartezeit das Problem dar. Hier gibt es ein Ampelsystem:
- Grün: Wartezeit 0 – 3 Monate
- Gelb: Wartezeit 3 – 6 Monat
- Rot: Wartezeit über 6 Monate – Klinik ist gesperrt.
Die aktuelle Wartezeit einer Rehaklinik lässt sich neben den Qualitätspunkten auf der DRV-Website www.meine-rehabilitation.de erkennen. Dort sind alle Vertragskliniken der DRV für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gelistet. Ein eigener Check Anfang März 2024 hatte im Durchschnitt eine Wartezeit von über 140 Tagen – also knapp 5 Monaten – ergeben. Wenn bei der Wartezeit "Keine Information" steht, beträgt die Wartezeit > 6 Monate und die Klinik ist gesperrt (Anm. des Autors: Die Kliniken haben keinen Zugriff auf das Portal und machen keine Angaben zur Wartezeit. Die Wartezeitberechnung erfolgt ausschließlich rechnergestützt mit Annahmen und Daten der DRV.)
Rehabilitationskliniken für Kinder und Jugendliche sind nicht unter den Fachindikationen zu finden, sondern nur unter Kinder- und Jugendlichenrehabilitation. Dabei ist jede Klinik mit mehreren Fachabteilungen auch mehrfach vertreten. Sollte die Wunschklink aufgrund der Wartezeit gesperrt sein, ist es dennoch sinnvoll, mit der Wunsch- und Wahlklinik Kontakt aufzunehmen: Möglicherweise kann man auf diese Weise noch zu einem Termin innerhalb von 6 Monaten gelangen. Ansonsten kann eine Verlängerung der Kostenzusage beantragt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die deutsche Rentenversicherung bei der Vergabe von Reha-Leistungen die Schwerpunkte auf Qualitätsstandards und Transparenz setzt. Die konsequente Umsetzung und Verbesserung dieser neuen Regelung sollen sicherstellen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche die bestmögliche rehabilitative Unterstützung auf seinem Weg zu Gesundheit und besserer Lebensqualität erhält.
- Wählen Sie gemeinsam mit Ihrem Patienten/seiner Familie eine geeignete Klinik.
- Weisen Sie auf das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten hin, eine Notiz zur Klinik auf dem Befundbericht reicht nicht.
- Eine vorübergehende Sperrung der Wunschklinik ist kein Hinderungsgrund für die Reha.
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Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (3) Seite 224-225