Gibt es einen Zusammenhang zwischen Fieberkrämpfen im Kindesalter und neurologischen Entwicklungsstörungen im weiteren Verlauf? Dieser Frage ist eine schwedische Studie nachgegangen.

Einer schwedischen Untersuchung zufolge weist fast jedes zweite Kind mit Fieberkrämpfen in den ersten 10 Lebensjahren eine neurologische oder psychische Entwicklungsstörung auf (z. B. ADHS, Dyspraxie). Die Arbeitsgruppe aus Göteborg in Schweden hat in einer Langzeitstudie bei 6.076 4-jährigen Kindern in einem Zeitraum von 2012 bis 2013 Entwicklungsstörungen mit einem Eltern-Fragebogen untersucht. Die Antwortrate lag bei guten 71 %. 161 Kinder wiesen eine Vorgeschichte mit Fieberkrämpfen auf (3,7 %). 4 Kinder entwickelten bereits im vierten Lebensjahr eine Epilepsie und wurden von der Studie ausgeschlossen. Von den verbliebenen 157 Kindern mit Fieberkrämpfen konnten 73 (41 Jungen, 32 Mädchen) mit einer entwicklungsneurologischen Evaluation im Alter von 4 bis 5 Jahren untersucht werden. 5 Jahre später wurden die Eltern der 73 Kinder erneut kontaktiert. Eltern von 54 Kindern (31 Jungs, 23 Mädchen) stimmten einer neurologischen Entwicklungskontrolluntersuchung im Alter von 9,5 Jahren zu. In der Gruppe der Kinder mit Fieberkrampf wiesen im Alter von 4 bis 5 Jahren bzw. von 9 bis 10 Jahren zu 41 % (30 von 73) vor allem neuropsychiatrische Probleme (ADHS, Sprachentwicklungsstörungen, Störungen der Bildbarkeit u. a.) auf.

Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass 41 % der identifizierten Kinder mit Fieberkrämpfen in der Vorgeschichte im weiteren Verlauf vor allem neuropsychiatrische Probleme aufwiesen. Eltern von den 54 9- bis 10-jährigen Kindern erhielten einen A-TAC- (Autism-Tics), ADHD- (and other Comorbidities) Fragebogen. Der Fragebogen enthält Bewertungsmöglichkeiten zu Bewegungs- und Konzentrationsvermögen, Lernfähigkeit, Sprechvermögen, Tics, sozialer Kompetenz u. a. neuropsychologischen Feldern. 19 Kinder, zu denen die Eltern beim zweiten Mal nicht befragt werden konnten, wiesen zu mehr als der Hälfte im Alter von 4 bis 5 Jahren Entwicklungsprobleme auf.


Während des ersten Untersuchungsganges (4 bis 5 Jahre) ergaben sich bei 18 Kindern Hinweise auf ein ADHS, 8 wiesen eine Dyspraxie-Form auf, ebenso viele Probleme mit der Sprachentwicklung, 4 Kinder litten unter einer intellektuellen Beeinträchtigung, bei 1 Kind wurde die Diagnose Autismus gestellt, 11 waren bei mindestens 2 Problemen auffällig. In der zweiten Unter­suchung (9 bis 10 Jahre) überwogen ADHS-Symptome, Lernprobleme und Dyspraxie. Die Autoren diskutieren, dass die Fallzahl insgesamt nicht ausreicht, um das Auftreten von komplexen neurologischen Entwicklungsstörungen definitiv in Zusammenhang mit den Fieberkrämpfen zu sehen. Auch vergleichen sie ihre Untersuchung mit anderen Studien. Die Vergleichbarkeit ist erheblich eingeschränkt. Ferner führen sie aus, dass Fieberkrämpfe hinsichtlich Art und Schwere bis hin zu komplizierten Fieberkrämpfen unterschiedlich ablaufen.

Kommentar:
Die Arbeit suggeriert auf den ersten Blick, dass Fieberkrämpfe überzufällig häufig mit schweren neuro­psychiatrischen Krankheitsbildern in der weiteren Folge einhergehen. Dieses kann nicht uneingeschränkt so festgehalten werden. Trotz einer im Großraum Göteborg hervorragend durchgeführten Studie, sind eine Reihe von Patienten doch nicht erfasst worden. Auch sind Störgrößen wie genetische Suszeptibilität, Residualprobleme aus der Perinatalzeit und andere nicht hinreichend berücksichtigt. Dennoch: Die Studie rechtfertigt weitere Untersuchungen, um die insgesamt als eher harmlos eingestuften Fieberkrämpfe hinsichtlich der „wahren Bedeutung“ für die kindliche Entwicklung abzuklären.

Literatur
Nilsson G et al. (2021) Neurodevelopmental problems in children with febrile seizures followed to young school age: A prospective longitudinal community-based study in Sweden. Acta Paediatrica DOI:10.1111/apa.16171


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (5) Seite 346