Thorsten Macha, Franz Petermann (Hrsg.), 152 Seiten. 1. Auflage, 2016, Hogrefe, Bern. ISBN 978-3-456-85678-0; 16,95 Euro
Der Hauptteil dieses Elternratgebers gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungsschritte, hier formuliert als "Entwicklungsziele" von gesunden Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren, differenziert nach den Altersgruppen "Säuglinge" (0 – 18 Monate), "Kleinkinder" (19 – 36 Monate) und "Vorschulkinder" (37 – 72 Monate).
Der besondere Schwerpunkt liegt dabei auf den Entwicklungsbereichen Grobmotorik, Feinmotorik, kognitive Entwicklung und Sprachentwicklung. Parallel dazu werden "Alarmzeichen" im Verhalten eines Kindes für mögliche Entwicklungsauffälligkeiten und geeignete Ansprechpartner genannt, an die sich besorgte Eltern ggf. wenden können.
Die Beschreibung einzelner, für bestimmte Entwicklungsschritte typischer Bewegungsabläufe/Verhaltensweisen wird dabei noch einmal, getrennt für einzelne Untergruppen im jeweiligen Altersbereich (z. B. bei den "Säuglingen" Babys von 0 bis 3, 3 – 6, 9 – 12 Monaten usw.) genauer ausgeführt und immer wieder auch mit entsprechenden Bildern illustriert. Die jeweiligen Abschnitte schließen dabei mit Prozentangaben für Entwicklungsauffälligkeiten insgesamt, differenziert für Mädchen und Jungen.
Im Anschluss an diesen Hauptteil folgen allgemeine und grundsätzliche Ausführungen zum Thema "Entwicklungsförderung durch die Eltern". Als wichtiger und im Alltag oft nicht beachteter Aspekt wird aus entwicklungspsychologischer Perspektive die Notwendigkeit einer "zusätzlichen/direkten" Förderung einzelner Bereiche gesunder, altersentsprechend entwickelter Kinder bezweifelt. Stattdessen wird die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und Möglichkeiten der positiven Beeinflussung (z. B. durch gemeinsames Spielen, Einbeziehung der Kinder bei Alltagsaufgaben der Eltern) in den Vordergrund gestellt – und somit für eine Entwicklungsförderung im o. g. Sinne allenfalls "nebenbei" oder "indirekt" plädiert.
"Stichworte und Informationen kompakt", der dritte und letzte Teil dieses Buches, gibt anschaulich und informativ einen Überblick über zentrale Begriffe und Probleme aus verschiedenen Fachgebieten zur kindlichen Entwicklung, mit denen Eltern auf der Suche nach weitergehenden Informationen und Unterstützung konfrontiert sein können. Im Unterschied zu der bereits vorhandenen Literatur zur kindlichen Entwicklung sprechen die Autoren dabei auch Themen an, die "auf den ersten Blick eher indirekt mit dem Kind" (Vorwort, S. 7) verknüpft sind, sehr wohl aber maßgebliche Belastungsfaktoren (z. B. psychische Erkrankung eines Elternteils) oder Ressourcen (z. B. Resilienz) für die kindliche Entwicklung darstellen können.
Damit wird letztendlich berücksichtigt, dass die kindliche Entwicklung nicht isoliert, sondern in ihrem sozialen Gefüge stattfindet und auch nur vor diesem Hintergrund beurteilt werden kann. Insgesamt liegt mit diesem Teil des Buches mehr als nur ein Stichwortverzeichnis vor, wie die o. g. Kapitelüberschrift suggerieren könnte.
Das Anliegen der Autoren, den in ihrem beruflichen Alltag immer wiederkehrenden Elternfragen im Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung in komprimierter Form Rechnung zu tragen, ist sehr gelungen, nicht zuletzt durch die Differenzierung in sinnvolle Altersgruppen und die Illustrationen mit konkreten Verhaltensbeobachtungen und Bildern. Dabei kommt der reiche entwicklungspsychologische und diagnostische Erfahrungsschatz der beiden Autoren deutlich zum Tragen. Gerade vor diesem Hintergrund wäre es jedoch wünschenswert gewesen, wenn die Autoren dem Bereich der sozial-emotionalen Entwicklung mehr Raum gegeben hätten – spielt doch auch dieser Bereich der kindlichen Entwicklung eine maßgebliche Rolle für die Eltern im Umgang mit ihrem Kind (z. B. Gestaltung der Schlafumgebung, Fremdbetreuung).
Das vorliegende Buch ist von pädiatrischer Seite insbesondere solchen Eltern zu empfehlen, die nicht nur an isolierten Fakten der kindlichen Entwicklung interessiert sind, sondern auch nach Anregungen für die Gestaltung ihres Alltags mit ihrem Kind – ggf. unter Einbeziehung von Unterstützungsangeboten für sich und ihr Kind – suchen. Darüber hinaus eignet sich dieser Ratgeber als Nachschlagewerk für alle nichtmedizinischen Fachleute, in deren Berufsalltag die Entwicklung von Kindern bis zum Schuleintrittsalter eine Rolle spielt.
Dr. Claudia Oberle, Sozialpädiatrisches Zentrum Stuttgart
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (1) Seite 65