„Die medizinische Bedarfslage und das, was ärztlich getan wird, klaffen eklatant auseinander“. Das betrifft gerade auch die Kinder- und Jugendmedizin.

Diese kritische Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch das neu erschienene Buch „Viel zu viel und doch zu wenig“, in dem der auch für den Kirchheim-Verlag tätige gesundheitspolitische Fachjournalist Raimund Schmid als Herausgeber und Mitautor fungiert. Die am 21.1.21 im Elsevier-Verlag erschienene 340 Seiten umfassende neue Publikation, die hierzulande erstmals die Thematik der Über- und Unterversorgung in der Medizin und ganz besonders auch in der Pädiatrie beleuchtet, richtet sich in gleicher Weise an Pädiater und auch an Eltern/Patienten.

Die fundierten Analysen im Buch untermauern, dass unser Gesundheitssystem trotz aller Vorzüge im Vergleich mit anderen Ländern nur scheinbar eine optimale Versorgung bietet. Vielfach werden große und kleine Patienten mit Fehlversorgung konfrontiert, die sich sowohl in Unter- wie auch in der Überversorgung widerspiegelt. Beispiele hierfür gibt es im neuen Buch insbesondere aus der Kinder- und Jugendmedizin zur Genüge.

Einige Beispiele der insgesamt 19 aufgegriffenen pädiatrischen Themenkomplexe:
  • Schnelle Diagnosen, Medikalisierung und Therapieflut bei Kindern: Plädoyer für eine behutsame Medizin
  • Zu viele dicke und adipöse Kinder und Jugendliche: Wie Defizite bei der Rehabilitation und Nachsorge beseitigt werden können
  • Komplexe Erkrankungen bei Kindern: Warum Behandlungen oft viel zu kurz greifen
  • Zu wenig politische Kindermedizin: Wo bleibt die child Advocacy und wo bleiben die Kinderrechte?

Zudem mangelt es an Kinderkliniken durch den immensen Kostendruck fast an allem, um insbesondere chronisch kranke Kinder gut versorgen zu können. Und überall im Gesundheitssystem fehlt es - weit über die Pädiatrie hinaus - an Zeit und mangelnder Zuwendung, auch für die Eltern. Diese geballte Menge an Fehlsteuerung, die in dem Buch mit konkreten und aufrüttelnden Fallbeispielen untermauert wird, kostet der Versichertengemeinschaft jedes Jahr Milliarden.

Die gravierenden Auswirkungen sind durch die Folgen der langanhaltenden Corona-Pandemie, durch die viele Mittel, Personalkräfte und Kapazitäten noch stärker als zuvor gebunden werden, noch deutlich verschärft worden. Daher müssen die Fehlsteuerungen im System dringender denn je beseitigt werden. Würden die dabei eingesparten Ausgaben für unnötige Gesundheitsleistungen den bisher unterversorgten Bevölkerungsgruppen (vor allem einen Großteil der chronisch kranken und psychisch kranken Kinder) zugutekommen, wäre endlich eine Balance hergestellt, von der alle kleinen Patienten sowie sämtliche Gesundheitsakteure aus der Pädiatrie profitieren würden. Konkrete Vorschläge hierfür bietet das Buch in Hülle und Fülle.


„Viel zu viel und doch zu wenig“, Urban & Fischer (Elsevier), 2021, ISBN 978-3-437-24061-4; Preis: 24 Euro



Redaktion