Seit vielen Jahren wird nach einem geeigneten Parameter zur Diagnosestellung einer Neugeboreneninfektion bzw. Neugeborenensepsis zur Initiierung und Steuerung der antiinfektiven Therapie gesucht. Eine internationale Studie untersuchte die Bedeutung von Procalcitonin in diesem Zusammenhang.

Ein relativ hoher Anteil von Neugeborenen (7 %) erhält in den ersten 3 Lebenstagen wegen des Verdachts auf eine Neugeborenensepsis eine antiinfektive Therapie. Die Behandlung wird präemptiv und aus Furcht vor einer unkontrollierten Neugeborenensepsis durchgeführt, ist im Regelfall aber „eigentlich“ nicht notwendig. Lediglich 0,1 % der Neugeborenen in Industrieländern weisen eine Sepsis im definierten Sinne (positive Blutkultur) auf.

Die Diagnostik ist dadurch erschwert, dass häufig falsch-negative Blutkulturergebnisse gefunden werden (zu geringe Abnahmemenge), oder eine Blutkultur gar nicht erst angelegt wird. Insofern stützt sich die Diagnose einer Neugeboreneninfektion bzw. „-sepsis“ auf die Bestimmung von Hilfsparametern wie IL-6, CrP oder aber auch Procalcitonin. Einerseits ist die Neugeborenensepsis die führende Todesursache bei Kindern im Alter unter 5 Jahren, die Sterblichkeit liegt in industrialisierten Ländern bei nahezu 30 %, ist andererseits jedoch selten. Es liegt eine gewisse „Übertherapie“ bei Verdacht auf Neugeboreneninfektion mit Antiinfektiva vor. Es ist daher notwendig, nach Parametern zu suchen, die zuverlässig eine Neugeborenensepsis anzeigen und damit Einfluss auf die Verordnung von Antiinfektiva nehmen.

Eine internationale, randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie untersuchte bei Neugeborenen mit Verdacht auf Sepsis die Wertigkeit einer auf Procalcitonin-Konzentrationen gestützten Therapie. 866 Studien­teilnehmer wurden mittels Procalcitonin im Hinblick auf eine Neugeborenensepsis diagnostiziert, 844 mit dem Standardparameter CrP diagnostiziert. Studienendpunkt war der Beweis der Nichtunterlegenheit von Procalcitonin im Vergleich zu CrP in Bezug auf Reinfektionen und Tod im ersten Lebensmonat sowie auf die Dauer der Antiinfektivatherapie. In der Procalcitoningruppe war die Antiinfektivatherapie signifikant kürzer als in der Standardtherapiegruppe: 55 Stunden vs. 65 Stunden (Intention-to-treat-Analyse).

Das Ergebnis fiel hochsignifikant aus (p < 0,0001). In der Per-Protokoll-Analyse betrug der Unterschied 51,8 vs. 64 Stunden. Es traten keine Sepsis-assoziierten Todesfälle auf. Bei 9 von 1.710 Neugeborenen (< 1 %) waren es möglicherweise Reinfektionen. Wegen der geringen Zahl an Reinfektionen und fehlender Todesfälle konnte die Nichtunterlegenheit der Procalcitonin-geführten Behandlung im Vergleich zur CrP-geführten Therapie nicht belegt werden.

Kommentar:
Seit vielen Jahren wird nach einem geeigneten Parameter zur Diagnosestellung einer Neugeboreneninfektion bzw. Neugeborenensepsis zur Initiierung und Steuerung der antiinfektiven Therapie gesucht. Zu den etablierten oder studierten Parametern gehören das CrP, IL-6, IL-8 bzw. auch andere Parameter, z. B. IL-27. Procalcitonin ist seit langem in der Erwachsenenmedizin ein etablierter Parameter zur Detektion von Bakterieninfektionen. Zweifelsohne lassen sich Neugeboreneninfektionen auch mit Procalcitoninhilfe diagnostizieren. Fraglich bleibt, ob die gefundenen (unter Studienbedingungen!) Ergebnisse klinisch relevant sind. Auch die kritisch geführte CrP-Diagnostik und das konsequente Absetzen einer präemptiv eingesetzten antiinfektiven Therapie bei entsprechender Anamnese führten zu erfreulich kurzen Behandlungszeiträumen. Der Unterschied der Behandlungsdauer zwischen beiden Parametern beträgt 9 Stunden. Ein solches Zeitintervall dürfte im „Grundrauschen“ der Stationsroutine untergehen. Es scheint wichtiger zu sein, konsequent eine antiinfektive Therapie bei fehlendem anamnestischen, klinischen und laborchemischen Hinweisen abzusetzen, als nach neuen, wohl auch kostenintensiveren Parametern, zu suchen. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass neben allen Laborparametern der klinische Eindruck des Kindes weiterhin von großer Bedeutung ist.

Literatur
1. Stocker M et al. (2017) Procalcitonin guided decision making for duration of antibiotic therapy in neonates with suspected early-onset sepsis: a multicenter randomized controlled trial. Lancet 390(10097):871-881. doi: 10.1016/S0140-6736 (17) 31444 – 7. Epub 2017 Jul 12.


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2018; 89 (2) Seite 82