Der Trend bei den unter 18-Jährigen, bei denen zwischen 2010 und 2017 eine psychosoziale Auffälligkeit erkannt worden ist, ist alarmierend. Danach sind Anpassungsstörungen um 39 %, Entwicklungsstörungen um 37 % und Störungen des Sozialverhaltens um 22 % hochgeschnellt.

Das ist ein markantes Ergebnis des im Mai 2020 vom Zentral­institut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) veröffentlichten „Versorgungsmonitors Ambulante Kinder- und Jugendmedizin“. „Allerdings bedeuten die hohen Zahlen von Patienten, die zu uns wegen psychischer Störungen kommen, nicht zwingend, dass es unter Kindern und Jugendlichen generell einen Anstieg psychischer Erkrankungen gibt“, relativiert BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach zugleich diese Daten. Diese Entwicklung sei sicher auch auf einen offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen zurückzuführen, die häufig für viele Eltern kein Tabu mehr seien. Vielfach könnte betroffenen Familien von Seiten der Kinder- und Jugendärzte dann auch tatsächlich weitergeholfen werden.

„Allerdings reichen aus Sicht des BVKJ die vorhandenen Kapazitäten – auch in der Sozialpädiatrie – kaum mehr aus, um alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich medizinisch zu versorgen. Gerade die Betreuung von Kindern mit psychischen Störungen sei weitaus aufwendiger als etwa die Behandlung eines einfachen Magen-Darm-Infekts“, bekräftigte Fischbach. Dafür nehme hingegen die Zeit, die den Pädiatern pro Patient zur Verfügung steht, seit Jahren stetig ab. Dazu tragen viele Ursachen bei, insbesondere aber die Teilzeitarbeit. So hat die Anzahl der Kinder- und Jugendärzte unter Berücksichtigung von Teilzeitarbeit zwischen 2010 und 2017 von 88,5 auf 79,6 pro 100.000 behandelter Kinder abgenommen.
Daher ist es für Fischbach unabdingbar, jetzt mehr Pädiater aus- und weiterzubilden und die strikten Niederlassungsbegrenzungen aufzuheben. Profitieren würden davon längst nicht nur Kinder mit psychosozialen Auffälligkeiten oder psychischen Störungen.



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (3) Seite 150