Die Zahl der Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist in Deutschland 2023 gesunken – doch die Entwicklung ist trügerisch. Der längerfristige Trend gehe nach oben, betonten Expertinnen und Experten bei einer Veranstaltung der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Grund dafür ist, dass Zecken als Überträger der Krankheit mittlerweile ganzjährig aktiv sind. Neue Forschungen belegen außerdem eine hohe Dunkelziffer bei FSME, das Virus wird siebenmal häufiger übertragen als bisher angenommen. Die Impfung – auch für Kinder – sei daher wichtiger denn je.

Frühe Zeckenaktivität und verkürzter Zyklus

2023 begann die Zeckenaktivität extrem früh, was sich in den FSME-Zahlen widerspiegelt, erklärte Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. Auch im Januar/Feburar 2024 gab es bereits erste Fälle in Baden-Württemberg und Bayern. „Bei einem Vorlauf von vier Wochen bis zur Diagnose muss die Infektion mitten im Winter stattgefunden haben. Zecken haben also keine Winterpause mehr, das FSME-Geschehen verlagert sich nach vorne.“

Hohe Dunkelziffer bei FSME-Fällen

Nicht alle FSME-Fälle werden entdeckt – das zeigen neue Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Er hat im Ortenaukreis Blutproben von Blutspenderinnen und -spendern untersucht. Mit einem neuen Testverfahren kann er zwischen Antikörpern aus einer Impfung und aus einer natürlichen Infektion unterscheiden. Das Ergebnis belegt eine hohe Dunkelziffer: „Wenn man die nicht erkannten Infektionen einbezieht, ist das Risiko einer FSME-Infektion in dem Kreis um ein Siebenfaches höher als bisher angenommen“, so Dobler. „Das Infektionsgeschehen ist also sehr hoch, auch wenn eine Infektion nicht immer zur Erkrankung führt.“ Der Mediziner rät daher dringend zur FSME-Impfung.

Ein besonderes Anliegen ist Dobler die Impfung von Kindern: Auch bei Kindern könne es einen schweren Verlauf geben – bis hin zu künstlicher Beatmung und Ernährung. Vor dem Hintergrund der steigenden Fallzahlen sei daher auch eine Impfung von Kindern dringend anzuraten.


Red.

Quelle: Universität Hohenheim


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (3) Seite 223