2017 wurden rund 13.500 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern erfasst. 2020 waren es fast 16.700. Und die Dunkelziffer ist hoch. Sexueller Missbrauch von Kindern ist damit häufiger als Krebs bei Kindern, juveniler Diabetes und angeborene Herzfehler zusammen.

Das sind Zahlen, die Dr. Bernd Herrmann, Oberarzt am Klinikum Kassel und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM), auf der Tagung „Basiskurs Kinderschutz in der Medizin“ präsentiert hat. Und noch eine weitere erschütternde Zahl: Die Jugendämter in Deutschland zählten 2019 rund 136.900 Anzeigen von Kindeswohlgefährdung. Bei rund 45.800 lag tatsächlich eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung vor.

Die Folgen sind gravierend und das längst nicht nur für die betroffenen Kinder. Elf Milliarden Euro, so hoch schätzt Herrmann die jährlichen Kosten durch die Folgen von Kindesmisshandlung in Deutschland. Um die Dimension deutlich zu machten, wartet Herrmann mit einem weiteren Zahlenvergleich auf: „Nur 0,2 % der Kinder und Jugendlichen unter 18 haben Krebs. Aber für diese Patientengruppe werden Millionen ausgegeben. Aber 20 bis 30 % aller Kinder werden misshandelt. Aber für ihre Versorgung steht ungleich weniger Geld zur Verfügung.“

Um der Gewalt gegen Kinder effektiv entgegenzutreten, sei die Zusammenarbeit von Polizei, Jugendamt, Hausärzten oder Kinderärzten und Psychotherapeuten entscheidend, so Frauke Schwier von der DGKiM. Diese Netzwerke funktionierten jedoch in der Praxis im ambulanten Bereich häufig nicht, nicht mal innermedizinisch. Die Kinder- und Jugendkliniken könnten hier beispielgebend sein. Hier arbeiteten Kindergynäkologie, Labor und Pflege mit Hautklinik oder Rechtsmedizin in der Regel bereits vorbildhaft zusammen.



Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (3) Seite 159