Die pädiatrische Onkologie in Deutschland nimmt weltweit eine Spitzenposition ein. Doch diese Position ist gefährdet.

Zu dieser Einschätzung kommt Professor Dirk Reinhardt von der Universität Essen. Die kinderonkologischen Zentren litten unter den Arbeitsbedingungen, die klinische Forschung unter der Regulatorik und dem strengen Datenschutz. Auf dem Vision Zero Summit in Berlin zeigte Reinhardt die aktuellen Probleme der Kinderonkologie auf. Zwar betreffen nur ein Prozent aller Krebsfälle in Deutschland Kinder, aber etwa die Hälfte aller durch erfolgreiche Behandlung gewonnenen Lebensjahre konzentriert sich auf diese kleine Gruppe, da die lebenslangen Heilungsraten von durchschnittlich 80 Prozent bei Kindern sehr hoch sind.

Diese Erfolge der deutschen Kinderonkologie sind gefährdet. Denn von den 60 kinderonkologischen Zentren arbeiten 50 defizitär. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Die hochkomplexen, zeit- und personalintensiven Leistungen werden im DRG-System (diagnosis related groups, diagnosebezogene Fallgruppen) nicht abgebildet. Auch seien Kapazitäten aufgrund falscher Prognosen abgebaut worden, obwohl die Zahl der krebskranken Kinder steige. Hinzu kämen kleine Fallzahlen bei großer Heterogenität der Krebserkrankungen, zunehmender Fachkräftemangel, hoher Krankenstand und zunehmende Teilzeitarbeit des Fachpersonals.

Da neue onkologische Wirkstoffe nur für Erwachsene, nicht aber für Kinder entwickelt würden, sei die Erforschung und Versorgung mit spezifischen Medikamenten eine besondere Herausforderung: In den letzten zehn Jahren sind nur zehn Medikamente speziell für krebskranke Kinder erforscht und zugelassen worden. Die Ergebnisse der Erwachsenenonkologie lassen sich aus vielen Gründen nicht auf die Kinderonkologie übertragen. In der pädiatrischen Onkologie gibt es eigene Tumorarten, spezifische embryonale Ansatzpunkte und andere Risikofaktoren – nicht zuletzt wegen der hohen Anzahl der gewonnenen Lebensjahre.

Für die in der Kinderonkologie eingesetzten Arzneimittel seien weitere Therapieoptimierungsstudien notwendig, um die Anwendungssicherheit zu verbessern. Die Zahl dieser Studien sei jedoch seit Jahren rückläufig und habe sich seit 2008 von 36 Studien auf 19 Studien im Jahr 2019 nahezu halbiert. Das kritisiert die Charité-Onkologin Angelika Eggert. Als Grund für den Rückgang nennen Eggert und ihr Kollege Pfister die „völlig überzogene“ Regulierung und den Datenschutz, die es Eltern und Kindern schwer machten, an den Studien teilzunehmen.

Katharina Maidhof-Schmid