Ein Beitrag über Professor Hubertus von Voss zum Abschied von der Redaktion. Raimund Schmid würdigt die Bedeutung des Sozialpädiaters für die Kinderärztliche Praxis (Kipra) und die Sozialpädiatrie.

Professor Markus Knuf, einer der beiden Chefredakteure der Kinderärztlichen Praxis, gelang es, anlässlich des Abschieds von Professor Dr. med. Dr. h. c. Hubertus von Voss von der Kipra-Redaktion seine Bedeutung für diese Zeitschrift und die Sozialpädiatrie in 3 kurze Sätze zu verpacken. 3 Sätze, die nicht nur Botschaften enthalten, sondern auch sehr treffend den Menschen Hubertus von Voss als Pädiater beschreiben und daher näher beleuchtet werden sollen.

Satz Nr. 1: "Sie haben entscheidend mit dazu beigetragen, dass die Kipra im Markt ein so hohes Ansehen hat."

Da wird man keinen finden, der da widersprechen würde. Denn Hubertus von Voss hatte bereits den Wechsel der von Stefan Engel bereits im Jahr 1930 gegründeten Zeitschrift zum Kirchheim-Verlag in Mainz maßgeblich begleitet. Er hat im Weiteren auch entscheidend dazu beigetragen, dass die Kipra heute im Markt fest etabliert und zudem als offizielles Organ der DGSPJ anerkannt ist. Und das immer wieder auch selbst mit bemerkenswerten Beiträgen.

Zum Beispiel sein Interview mit Kipra-Redakteurin Angelika Leidner im Jahr 2014, in dem er uns allen im Rückblick auf die Kipra-Ausgaben seit dem Jahr 1930 Interessantes, fast Vergessenes und auch Erschreckendes wieder ins Gedächtnis gerufen hat. Oder sein jüngster kommentierender Meinungsbeitrag im Jahr 2022 zu den Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) als Unikat kinder- und jugendärztlicher Versorgung, in dem er die große Bedeutung des besonderen Konstrukts der SPZ in Deutschland für kranke Kinder und vor allem Kleinkinder nochmals eindrucksvoll herausgestellt hat.

Satz Nr. 2: "Sie haben in uns alle Feuer ausgelöst."

Das kann man wohl sagen. Mit seinem nie Ende wollenden Ideenschatz konnte er enorm viel voranbringen. Insbesondere für bisher vernachlässigte Themen in der Pädiatrie und für die betroffenen Familien mit vergessenen oder außergewöhnlichen Krankheiten war das gut. Für seine pädiatrischen Mitstreiter war sein Tatendrang allerdings nicht immer einfach. Das räumt Hubertus von Voss auch selbstkritisch ein: "Manchmal war ich zu eckig, weil ich aus einem inneren Trieb heraus gehandelt habe." Jawohl, dabei hat er mitunter sicher überzogen. Es zeugt aber dann auch umso mehr von Haltung und Größe, dass er dies nun auch eingestanden hat.

Satz Nr. 3: "Sie sind nicht nur Sozialpädiater, sondern ein Pädiater im besten Sinn."

Auch hier muss man nicht lange rätseln, um zu wissen, was gemeint ist. Hubertus von Voss ist ein Arzt, der seine Patienten in der Kinder- und Jugendmedizin immer zusammen mit den Eltern ganzheitlich gesehen hat und so mitunter manch unmöglich Scheinendes möglich gemacht hat. Und er hat immer weit über den üblichen pädiatrischen Tellerrand hinausgeblickt.

Die Schicksale von Kindern in Afghanistan, Syrien und der Ukraine ließen ihm keine Ruhe. Im Rahmen seiner humanitären Arbeit sammelte er nicht nur – zuletzt in vielfacher Weise für die Kinder in der Ukraine – Spenden ein. Auch sein 80. Geburtstag war hierfür erneut – an Stelle von Geschenken – ein Anlass. Doch darüber hinaus packte er auch ganz konkret in den Ländern selbst mit an. In der Ukraine etwa war er maßgeblich an der staatlichen Einrichtung des Ukrainischen Medizinischen Zentrums der Rehabilitation für Kinder mit Erkrankungen des Nervensystems beteiligt – und das bereits seit 27 Jahren. Nach Afghanistan reiste er im Namen des Deutschen Afghanistan-Komitees gleich mehrfach – selbst unter Todesgefahr – in die politisch und damit gerade für Kinder prekärsten Regionen überhaupt.

All das, was dieser "Pädiater im besten Sinn" also verkörpert, wird weitergetragen; versicherte dann auch Stephan Maasen, Geschäftsführer des Kirchheim-Verlags, bei der Verabschiedung in Mainz. Dabei stand bei ihm stets die "Inspiration" und das "Wohl der Kinder" im Fokus. Von Voss sei ein Marathonläufer, der zwischendurch auch noch mehrere Sprints einlegen könne. Maasen: "Das können nur ganz wenige." Davon habe nicht nur die (Sozial-)Pädiatrie, sondern auch die Kipra profitiert.

Zum Ehrenmitglied der Redaktion ernannt

Aufgrund dieser besonderen Verdienste für die Zeitschrift war es nur folgerichtig, Univ.-Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. Hubertus von Voss im Rahmen der Redaktionskonferenz 2022 in Mainz als "Ehrenmitglied der Redaktion Kinderärztliche Praxis" aufzunehmen.

Als offizielles Organ der DGSPJ spielt die Zeitschrift heute für die Sozialpädiatrie in Deutschland eine herausragende Rolle, bekräftigte auch Dr. Andreas Oberle, bis Ende 2022 Vizepräsident der DGSPJ und heute weiter Vorstandsmitglied. Von Voss, von 1996 bis 2000 selbst Präsident der DGSPJ, ist seitdem nach Ansicht Oberles eine prägende Stimme in der Sozialpädiatrie – mit wegweisenden und bis heute gültigen Weichenstellungen. Wie zum Beispiel der Etablierung des Stefan-Engel-Preises, den er zusammen mit Frau Prof. Eva Engel-Holland, der Tochter von Stefan Engel, auf den Weg gebracht hat. Dieser besondere Preis wird bis heute im Form der "Stefan-Engel-Medaille" alle 2 Jahre im Rahmen der DGSPJ-Jahrestagungen für die beste wissenschaftliche Arbeit in der Sozialpädiatrie in einem würdigen Rahmen vergeben.

So hat der in München lebende Pädiater, der im Januar 2023 80 Jahre alt geworden ist, die Sozialpädiatrie zum Beispiel immer als "Wächteramt" verstanden und sah es als Verpflichtung an, sich Gruppierungen von Kindern und Jugendlichen zu widmen, die in der Politik, der Gesellschaft und in der Pädiatrie selbst viel zu wenig Aufmerksamkeit finden.

1992: Gründung des Kindernetzwerks

Dazu zählte er stets die Kinder und (jungen) Menschen mit seltenen Erkrankungen, die noch bis Anfang der 90er-Jahre hinein keinerlei Lobby hatten. Das änderte sich erst mit der Gründung des Kindernetzwerks Ende 1992, das von Voss zusammen mit dem Autor dieses Beitrags maßgeblich initiierte und dem er 20 Jahre lang als Vorsitzender voranstand. Mit diesem Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen gelang es ihm nicht nur, Kinder mit vergessenen Erkrankungen in den Fokus zu rücken, sondern auch die Rechte chronisch kranker und behinderter Kinder und Jugendlicher im politischen Umfeld deutlich zu stärken und gemeinsam mit Elternverbänden Konzepte für deren Langzeitbetreuung zu entwickeln.

Um das Soziale in der Pädiatrie mit Leben zu füllen, kam es ihm immer auf die enge Kooperation mit klinischen Psychologen, Sozial- und Heilpädagogen und Therapeuten an. Und dies zahlte sich vielfach aus. So hat er beispielsweise im Kinderzentrum München zusammen mit dem Klinischen Psychologen Dr. Klaus Sarimski zur psychosozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit genetischen Syndromen geforscht. Vor allem aber trug auch er auch mit dazu bei, dass die Ergebnisse in alltagstaugliches Praxiswissen aufbereitet und – vielfach in der Kipra – veröffentlicht wurden. Das war absolutes Neuland und für viele betroffene Familien ein Segen und damit Sozialpädiatrie pur.

Doch Hubertus von Voss wäre nicht Hubertus von Voss, wenn er sich mit dem Status quo zufriedengeben würde. Die Zukunft hatte und hat er immer wieder im Blick. Da taucht er wieder auf – der innere Trieb.

Bei seiner Verabschiedung von der Kipra gab er der Redaktion daher einige Themen mit auf den Weg, die entweder noch unzureichend gelöst sind (Transition vom Jugend- ins Erwachsenenalter) oder noch gar nicht aufgegriffen worden sind (Entwicklungsrisiken von Jugendlichen im Strafvollzug). Oder Themen wie das väterliche Sorgerecht oder die große Diskrepanz der schulischen Ausbildung in den einzelnen Bundesländern, die auf den ersten Blick weit über die Pädiatrie hinausreichen und daher von vielen Kolleginnen und Kollegen nicht als ureigene Themen der Kinder- und Jugendmedizin angesehen werden. Für von Voss ein Trugschluss, da die Auswirkungen dieser Diskrepanzen früher oder später immer wieder gerade bei den Sozialpädiatern aufschlagen.

"Man ist nicht Sozialpädiater, man darf es werden"

Bereits 2010 formulierte von Voss in einem Aufsatz zur Bedeutung der Sozialpädiatrie (Quelle: Die Geschichte der Sozialpädiatrie, 2022, S. 136) an zukünftige Generationen einen Satz, der heute aktueller nicht sein könnte: "Ich würde mir wünschen, dass es zukünftig ‚geistige Väter‘ gibt, die in der Ausbildung und im Berufsleben Denkanstöße geben, der nächsten Generation Vertrauen vermitteln, sie motivieren und sie in ihrer Gedankenwelt verstehen." Das ist ein hoher Anspruch. Aber auch ein motivierender Ansporn. Hubertus von Voss: "Man ist nicht Sozialpädiater, man darf es werden."

Und diese Haltung – das wünschte sich Stephan Maasen am Ende der Verabschiedung von Hubertus von Voss von der Redaktion – werde man im Verlag stets beherzigen und so weitertragen, wie er selbst diese fast drei Jahrzehnte auch in Beiträgen in dieser Zeitschrift weitergegeben hat.

Der Staffelstab ist somit überreicht, und zwar auf einem stabilen Fundament und – nach den Ergebnissen von Leseranalysen – auf einem außerordentlich hohen qualitativen Standard. Ein Standard, auf dem sich die Zeitschrift auch in Zukunft als Aushängeschild der sozialen Pädiatrie in Deutschland gut weiterentwickeln kann und wird. Darauf wird Hubertus von Voss immer mit Stolz zurückblicken können.

Raimund Schmid

im Namen der Redaktion der Kipra



Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (2) Seite 135-137