Sollen Frühgeborene transfundiert werden? Eine amerikanische Forschergruppe ist der Frage nachgegangen, ob ein Hämoglobinwert (Hb-Wert) > 10 g/dl mit einem günstigen Outcome von Frühgeborenen verbunden ist.
Die Frage, ob Frühgeborene transfundiert werden sollen, wird nahezu täglich auf neonatologischen Intensivstationen diskutiert. Eine amerikanische Forschergruppe untersuchte die Frage, ob ein Hämoglobinwert (Hb-Wert) > 10 g/dl verglichen mit einem um bis zu 2,5 g/dl niedrigeren Hb-Wert mit einem günstigen Outcome von Frühgeborenen verbunden ist.
Zu diesem Zweck wurden 1.824 Frühgeborene (mittleres Geburtsgewicht 756 g, mittleres Gestationsalter 25,9 SSW) in eine randomisierte Multicenter-Untersuchung aufgenommen. Von 1.692 Frühgeborenen (92,8 %) lagen auswertbare klinische Daten vor. 845 Frühgeborene wurden in die Gruppe mit höherem Hb-Wert aufgenommen. Der Unterschied zwischen jenen Kindern, die mit hohem bzw. niedrigem Hämoglobingrenzwert transfundiert wurden, lag zwischen 2 bis 2,5 g/dl. Der niedrige Grenzwert hatte eine Baseline von etwa 8 g/dl, der höhere Grenzwert eine Baseline von etwa 10 g/dl, bevor transfundiert worden ist.
Am Ende konnten Outcome-Daten für 1.692 Frühgeborene analysiert werden. Von den 845 Frühgeborenen mit einem höheren Grenzwert hatten 423 (50,1 %) mit einer gestörten neurologischen Entwicklung einen komplizierten Verlauf oder starben. Im Vergleich hierzu waren dies 422 der 847 frühgeborenen Kinder (49,8 %) mit einem niedrigeren Grenzwert. Das relative Risiko betrug 1 (95- -%-Konfidenzintervall 0,92 – 1,1, p = 0,93). Im Alter von 2 Jahren waren vergleichbare Inzidenzen für „Tod“ oder ein neurologisches Entwicklungsdefizit in beiden Gruppen (hoch 16,2 % vs. niedrig 15 %; hoch 39,6 % vs. niedrig 40,3 %) zu beobachten. Serious adverse events (SAE) kamen in beiden Studiengruppen gleich häufig vor.
Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass ein höherer Hb-Gehalt, der durch eine Transfusion herbeigeführt wird, nicht zwangsläufig mit einer besseren entwicklungsneurologischen oder Überlebenschance einhergeht.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (4) Seite 74