Mütterliches Übergewicht ist ein Risikofaktor in der Schwangerschaft und häufig mit Komplikationen verbunden. Eine neue Studie zeigt, dass mütterliches Übergewicht auch das Risiko für einen plötzlichen Kindstod (SIDS) erhöht.
Ein hoher Body-Mass-Index (BMI) der Mutter gilt seit langem als Risikofaktor für das ungeborene oder neugeborene Kind: Es kommt häufiger zu Totgeburten, Frühgeburten, angeborenen Fehlbildungen und Geburtskomplikationen. Neugeborene Kinder stark übergewichtiger Mütter benötigen häufiger intensivmedizinische Therapie. Ungeklärt war bisher die Frage, ob mütterliches Übergewicht auch das Risiko für den plötzlichen Kindstod erhöht. Dieser Frage ist ein Team von Wissenschaftlern in einer groß angelegten Kohortenstudie nachgegangen.
In Bezug auf den plötzlichen Kindstod konnten bereits mehrere Risikofaktoren identifiziert werden. Durch die Umsetzung großangelegter Aufklärungskampagnen, die sich beispielsweise mit der Schlafposition des Kindes befassten, konnten in den vergangenen Jahren Rückgänge der Fallzahlen beobachtet werden. Obgleich ein Rückgang von Risikofaktoren – wie Vermeidung der Bauchlage oder sinkende Raucherquoten bei Müttern – zu verzeichnen ist, stagnieren die Fallzahlen seit einiger Zeit. Einige Experten vermuten bereits seit langem, dass Adipositas in Kombination mit einer gemeinsamen Bettnutzung das Risiko für den plötzlichen Säuglingstod erhöhen könnte. Dennoch wird mütterliche Adipositas bisher weder in Expertenmeinungen noch in öffentlichen Aufklärungskampagnen als Risikofaktor für den plötzlichen Säuglingstod anerkannt.
In der Studie analysierte Darren Tanner mit seinem Team insgesamt 18,9 Millionen Lebendgeburten zwischen 2015 und 2019 mit einer Schwangerschaftsdauer von mindestens 28 Wochen. Dabei wurde festgestellt, dass 16.545 Säuglinge im ersten Lebensjahr an SIDS gestorben sind. Dies entspricht einer Rate von etwa 0,88 Fällen pro 1.000 Geburten. Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der mütterlichen Adipositas und dem SIDS-Risiko nachgewiesen werden. Bei Kindern von Müttern mit leichter Adipositas (BMI 30,0–34,9 kg/m²) war das Risiko für einen plötzlichen Säuglingstod um 10 % erhöht. Bei moderater Adipositas (BMI 35,0–39,9 kg/m²) stieg das Risiko um 20 % und bei schwerer Adipositas (BMI ≥ 40,0 kg/m²) um 39 %.
Diese Risikoerhöhung zeigte sich unabhängig von der Schwangerschaftsdauer, was darauf hindeutet, dass das erhöhte Risiko eines plötzlichen unerwarteten Kindstods nicht allein auf eine Frühgeburt zurückzuführen ist, sondern in direktem Zusammenhang mit einem höheren mütterlichen Körpergewicht steht.
Darüber hinaus wurde ein besonders schneller Anstieg des SIDS-Risikos bei Müttern mit einem BMI > 25 kg/m² beobachtet. Daraus lässt sich ableiten, dass etwa 5,4 % der SIDS-Fälle auf mütterliches Übergewicht zurückzuführen sind. In den USA entspricht dies einer geschätzten Anzahl von 179 Todesfällen pro Jahr.
Tanner vertritt mit seinen Kollegen daher die Auffassung, dass Adipositas als zusätzlicher Risikofaktor für SIDS in die Liste aufgenommen werden sollte. Aufgrund der kontinuierlichen Zunahme der Adipositas-Raten und der damit einhergehenden Gesundheitsrisiken ist eine stärkere Berücksichtigung von Adipositas bei Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung.
Katharina Maidhof-Schmid