Kinder und Jugendliche müssen besser geschützt werden: Diese Forderung erneuerte die Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin. Dabei hat es in den vergangenen Jahren jedoch durchaus auch Fortschritte gegeben.

Das ist das eigentliche Ziel: „Jedes von einer Kindeswohlgefährdung betroffene Kind, das an irgendeiner Stelle im Gesundheitssystem vorstellig wird, soll als Kinderschutzfall erkannt werden und die jeweils notwendige medizinische Expertise und Hilfe erhalten.“ Davon sei man zwar heute immer noch ein Stückweit entfernt, stellte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM), Dr. Bernd Herrmann aus dem Klinikum Kassel, bei deren 13. Jahrestagung in Heide ein wenig ernüchternd fest. Dennoch habe es Verbesserungen gegeben. So gibt es laut Herrmann inzwischen 247 von der DGKiM zertifizierte Kinderschutzmediziner in Deutschland. Von den rund 360 Kinderkliniken bundesweit hat rund die Hälfte Kinderschutzgruppen – 2008 waren es erst erst 8.

Das reiche aber noch längst nicht aus. Herrmann forderte daher die Bundesregierung dazu auf, flächendeckende und fachlich standardisierte Versorgungsleistungen für den Kinderschutz im Gesundheitssystem zu schaffen und dann verbindlich zu verankern. Dafür müsse zum Beispiel die Netzwerkarbeit zwischen Kinder- und Jugendmedizin und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder der Schulsozialarbeit gestärkt und finanziell besser ausgestattet werden, wie gerade auch der Deutsche Ärztetag 2022 gefordert hat. Auf dem Land gestaltet sich dies aber deutlich schwieriger als in der Stadt. Dort seien die Netze nicht so breit gespannt, wobei die engen sozialen Verflechtungen in dörflichen Strukturen und die Tabuisierung von Gewalt zusätzliche Hindernisse darstellen. Gezielt nachhaltige Lösungen hierfür müssten erst noch erarbeitet werden.

Kommentar:
Der Status-Quo-Bericht der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) 2022 fällt zwiespältig aus. Eindeutig ist jedoch, dass sich jeder in den Kinderschutz investierte Euro doppelt auszahlt. Zum einen für die betroffenen Kinder, deren Individuelles Leid mit jeder erfolgreichen Maßnahme gemildert wird. Zum anderen für uns alle, weil wir allein 11 Milliarden Euro pro Jahr für medizinische Behandlungen, psychiatrische Therapien oder Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen aufbringen müssen, um die traumatischen Folgen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung auffangen zu können. Also: Wir sind zwar auf einem guten Weg, aber es gibt noch sehr viel zu tun.


Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (4) Seite 252