Mit dem Auftreten der Omikron-Variante (B.1.1.529) sind Zweifel bezüglich der Wirksamkeit von SARS-CoV-2-Impfstoffen gegen Infektionen durch die Omikron-Variante aufgekommen. Eine englische Forschergruppe hat ein Test-negatives Fall-Kontroll-Design etabliert, um die Wirksamkeit („effectiveness“) gegen ­symptomatische Erkrankungen durch Omikron- und Delta- (B.1.617.2)-Varianten in England zu prüfen.

Die Impfstoffwirksamkeit wurde geprüft nach einer primären Immunisierung mit zwei Dosen von BNT162b2 (Pfizer-BioNTech), ChAdOx1 nCoV-19 (AstraZeneca) oder mRNA-1273 (Moderna) und nach einer Booster-Dosis von BNT162b2, ChAdOx1 nCoV-19 und mRNA-1273.

Zwischen November 2021 und dem 12. 01. 2022 wurden 886.474 Personen, die sich mit der Omikron-Variante infiziert hatten, in die Studie eingeschlossen. 204.154 Personen waren mit der Delta-Variante infiziert und 1.572.621 Test-negative Personen fungierten als Kontrollen. Zu allen Zeitpunkten und für alle Impfstoffe konnte herausgefunden werden, dass die Impfstoffwirksamkeit gegen symptomatische Erkrankungen durch die Delta-Variante höher ausfiel als jene durch die Omikron-Variante. Es konnte keine relevante Wirksamkeit gegen die Omikron-Variante 20 Wochen nach der Gabe von zwei Dosen ChAdOx1 nCoV-19-Impfstoff dokumentiert werden. Nach zwei Dosen BNT162b2 lag die Wirksamkeit nach zwei bis vier Wochen bei 65,5 % (95-%-KI, 63,9 – 67). Es war ein deutlicher Rückgang der Wirksamkeit auf 8,8 % ­(95-%-KI, 7,0 – 10,5) nach 25 und mehr Wochen festzustellen.

Bei jenen Studienteilnehmern, die mit ChAdOx1 nCoV-19-Impfstoff grundimmunisiert worden sind und eine Booster-Dosis mit BNT162b2 erhielten, stieg die Effektivität der Impfung zwei bis vier Wochen nach der Booster-Dosis auf 62,4 % an ­(95-%-KI, 61,8 – 63), fiel aber nach zehn und mehr Wochen wieder auf 39,6 % ab (­95-%-KI, 38 – 41,1). Die Impfstoffwirksamkeit nach einer Booster-Dosis mit BNT162b2 gegen die Omikron-Variante betrug 67,2 % (95-%-KI, 66,5 – 67,8) nach zwei bis vier Wochen und fiel auf 45,7 % (­95-%-KI, 44,7 – 46,7) nach zehn und mehr Wochen ab.
Studienteilnehmer, die mit ChAdOx1 nCoV-19 grundimmunisiert wurden, wiesen vier Wochen nach einer Booster-Dosis mit mRNA-1273 eine Wirksamkeit von 70,1 % (95-%-KI, 69,5 – 70,7) nach zwei bis vier Wochen auf. Die Wirksamkeit fiel nach fünf bis neun Wochen auf 60,9 % (95-%-KI, 59,7 – 62,1) ab.

Mit dem mRNA-1273-Impfstoff grundimmunisierte Personen wiesen nach einer Auffrischimpfung mit BNT162b2 zwei bis vier Wochen später eine Impfstoffwirksamkeit von 73,9 % (95-%-KI, 73,1 – 74,6) auf. Diese fiel dann nach fünf bis neun Wochen auf 64,4 % (95-%-KI, 62,6 – 66,1) ab. Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass die Grundimmunisierung mit den drei etablierten Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 nur eine limitierte Schutzwirkung aufweist. Diese kann kurzfristig mit einer Booster-Dosis, auch in einer sequenziellen Impfstoffverwendung, gesteigert werden.

Kommentar:
Die Krux der Immunisierung gegen SARS-CoV-2 ist die doch starke Abhängigkeit von den jeweiligen SARS-CoV-2-Varianten. Gegen die Delta-Variante konnte eine sehr gute Wirksamkeit mit den etablierten Impfstoffen dokumentiert werden. Die Omikron-Variante lässt sich nur begrenzt präventiv mit den verfügbaren Impfstoffen angehen. Bemerkenswert ist auch die nur sehr kurze Dauer einer akzeptablen Wirksamkeit. Es kommt rasch zu einem Wirkverlust. Hieraus darf geschlossen werden, dass neue Impfstoffe notwendig sind, um umfassend gegen SARS-CoV-2-Varianten zu schützen.

Literatur
Andrews N et al. Covid-19 vaccine effectiveness against the Omicron (B.1.1.529) variant. N Engl J Med 2022, DOI:10.1056/NEJMoa2119451


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (3) Seite 168