Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) - ein Jahrhundertgesetz? Kinderarzt Markus Landzettel fragt sich, ob sich das TSVG als praxistauglich erweisen wird, da viele Fragen noch offen sind und das eigentliche Problem nicht behoben ist.

In den letzten Jahren wurde von der Regierungskoalition so manches Gesetz verabschiedet und mit einfallsreichen Worthülsen benannt (Gute-Kita-Gesetz, Starke-Familien-Gesetz). Nun kommt als "Jahrhundertgesetz" das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) dazu.

Der Anlass ist die richtige Erkenntnis, dass gesetzlich Versicherte oft zu lange auf einen Arzttermin warten. Das erfahren wir Kinder- und Jugendärzte auch bei der täglichen Arbeit, wenn wir für eine Überweisung zu den anderen Fachgruppen Termine für die kleinen Patienten bräuchten, oder wenn wir neue Patienten nur schwer annehmen können, da die Praxen hoffnungslos überlastet sind.

Die Analyse, warum eine zeitnahe Terminvergabe oftmals so schwierig ist, wurde wohl bei der Erstellung dieses Gesetzes unterlassen. Stattdessen geht der Gesetzgeber von der Annahme aus, dass es nur einer Anordnung von mehr Arbeitsstunden und Freihalten von Terminfenstern bedarf.

Ich frage mich, ob der Gesetzgeber überhaupt weiß, wie hoch meine tatsächliche Wochenarbeitszeit ausfällt und wie dies bei den Kolleginnen und Kollegen wirklich aussieht. Ein Blick in die gesammelten Daten der jährlichen Erhebungen des Bundesamtes für Statistik könnte da durchaus Erkenntnisse liefern (www.destatis.de).

Ursachen sind eher der Ärztemangel und die Zunahme des Betreuungsumfangs! Dies wurde zumindest von der ärztlichen Selbstverwaltung (KBV) erkannt und soll bei der Bedarfsplanung im Juli 2019 auch berücksichtigt werden, indem mehr Arztstellen für Kinder- und Jugendärzte geschaffen werden sollen. Dies darf aber nicht bei der aktuell gültigen Honorarsystematik das ohnehin begrenzte Honorarvolumen aller niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte belasten.

Nun müssen wir also 2 Termine für akute Erkrankungen pro Woche und 1 Termin für Vorsorgen alle 14 Tage bereitstellen und der Termin-Service-Stelle (TSS) melden. Das Einplanen sogenannter Notfalltermine ist sicherlich unkritisch zu bewerten. Diese Vorgabe, Termine für fremde Patienten einzuplanen, führt aber unweigerlich in einen Circulus vitiosus. Diese Terminfenster stehen dann nicht mehr den eigenen Patienten zur Verfügung. Die Patienten werden sich dann wohl oder übel an die TSS wenden müssen, um einen Termin zur Vorsorgeuntersuchung bei einen fremden Arzt zu bekommen. Das wirft dann doch die Frage auf, ob da vielleicht auch der Gedanke dahinter steckt, dass die TSS somit sukzessive den Terminkalender der Arztpraxen übernehmen soll?

Es bleiben zudem noch viele wichtige Fragen offen: Wie soll verfahren werden, wenn die für die TSS eingeplanten Termine nicht benötigt werden? Diese können zwar an eigene Patienten vergeben werden, sie fehlen aber dann für eine vorausplanende Terminvergabe für die Vorsorgen bei eigenen Patienten. Zudem fehlt ein Verfahren für den Fall, dass von der TSS vergebene Termine durch die entsprechenden Patienten nicht eingehalten werden. Ungeklärt ist auch der Aufwand, wenn Patienten in die Praxis zu einem durch die TSS vergebenen Termin erscheinen, bei dem sich dann herausstellt, dass der Durchführungs- und Abrechnungszeitraum bereits verstrichen ist. Ein vorhergehender Check dieser Zeitfenster wurde von Seiten der TSS bereits abgelehnt. Das wird in den Praxen unnötige emotionale Diskussionen auslösen, da diese Vorsorgen dann nur als IGeL-Leistung durchgeführt werden können.

Ich bin gespannt, ob sich dieses "Jahrhundertgesetz" als praxistauglich erweisen wird, oder ob noch erhebliche Änderungen notwendig sein werden. Einen Ärztemangel, die eigentliche Ursache dieses Terminvergabeproblems, wird dieser "Terminator" jedoch sicherlich nicht beheben, das steht schon heute fest!


Dr. Markus Landzettel, Darmstadt


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2019; 90 (4) Seite 228