Am 9. März 2022 veröffentlichte die „Initiative Familien“ einen offenen Brief mit dem Titel „Kinder in der Warteschleife – Ende offen“. Es ging um Kritik am bisherigen Maßnahmenregime in der Corona-Pandemie in Bezug auf Kinder – und entsprechende Forderungen der Initiative. Hier nun ein Update zu diesem Brief (Stand: April 2022).
„Krankenhäuser, Heime für Senioren, Justizvollzugsanstalten, Maßregelvollzugseinrichtungen, Kitas und Schulen.“ So (in Ausschnitten) definiert der neue § 28a IfSG, für welche Einrichtungen eine weitreichende Testpflicht noch als verhältnismäßig gilt. Eine Auswahl, die Kinder und Jugendliche in gleichem Atemzug mit vulnerablen Gruppen nennt – jenseits jeglicher Evidenz. Weitgehende Maßnahmenfreiheit hingegen gilt für die restliche Bevölkerung, die spätestens seit dem 3. April mit Eigenverantwortung auf das aktuelle Geschehen reagieren darf.
Fakt ist, dass die Politik nach wie vor anlasslose Routinetestungen für Bildungseinrichtungen vorsieht – entgegen der anderslautenden Empfehlung der DGKJ, DGPI, des BVKJ und der DGKH. Wie befürchtet, scheint die Überwachung des Infektionsgeschehens künftig also ausschließlich Aufgabe der Kinder und Jugendlichen sein.
Ausdrücklich zu begrüßen ist die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen. Genau dieses Stückchen Freiheit aber wird Kindern und Jugendlichen zum moralischen Konflikt in einer emotional aufgeladenen Debatte gereichen. Längst warnen Politiker und Lehrergewerkschaften vor einer drohenden „Durchseuchung“ und rufen zum weiteren Tragen der Maske auf. Viele Familien nehmen diese „Empfehlung“ dankbar an, in der Hoffnung, dass Corona an ihnen vorbeiziehen möge. Dabei ist inzwischen völlig klar: Corona wird alle treffen – früher oder später. Nach den Ferien ist vor den Ferien, vor der Klassenfahrt, vor dem Urlaub, vor St. Martin, vor Weihnachten. Es gibt keinen passenden Zeitpunkt für eine Infektion.
Es muss die Forderung erhoben werden, dass sich im Bildungsbereich alle Empfehlungen an der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen orientieren, nicht am Infektionsgeschehen in der Allgemeinbevölkerung, insbesondere dann nicht, wenn allen Erwachsenen eine Impfung zur Verfügung steht und Kinder ab 5 Jahren auf Wunsch der Eltern geimpft werden können. Für die unter 5-Jährigen steht kein Impfstoff zur Verfügung und ist wegen des geringen Nutzens bei zu erwartender marginaler Krankheitslast auch nicht notwendig.
Das bisherige Maßnahmenregime in Kitas und Schulen hat ein System etabliert, dem eine generelle Gefährdungsvermutung zugrunde liegt, die ein gesunder Schüler nur durch regelmäßige Tests und ständiges Maskentragen abwenden kann. Die dahintersteckende Logik entbehrt jeder Evidenz. Wer Kinder und Jugendliche systematisch so behandelt, als sei es deren Aufgabe, jene Erwachsenen zu schützen, die sich selbst nicht schützen möchten, verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention und missachtet deren Grundrechte.
Niemals zuvor stand die Angst vor einer Atemwegsinfektion in einem so eklatanten Widerspruch zur damit verbundenen Krankheitslast. Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass die Kollateralschäden durch die während der Pandemie verhängten Maßnahmen die Risiken einer Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen um ein Mehrfaches übersteigen.
Statt politisch motivierter Maßnahmen von Symbolcharakter, die mit einem hohen finanziellen Aufwand bei begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln verknüpft sind, fordern wir, diese Gelder an Stellen einzusetzen, wo wirklich Bedarf besteht: nämlich dort, wo die Pandemiepolitik bei Kindern und Jugendlichen bereits massive Schäden verursacht hat. Die Fortsetzung dieser Politik der Angst gefährdet das Wohlergehen der Kinder inzwischen mehr als das Virus.
Kindern und Jugendlichen muss jetzt endlich wieder ein normaler Alltag ermöglicht werden. Dazu bedarf es einer Kommunikation, die das mit einer Coronainfektion verbundene Risiko bei Kindern und Jugendlichen immer wieder faktenbasiert so darstellt, wie es der Realität entspricht: nämlich äußerst gering.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (3) Seite 168