Das ist hochrelevant für Pädiaterpraxen und all diejenigen Hausarztpraxen, die Kinder behandeln: Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat eine Reihe von neuen und zum Teil einschneidenden „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der Coronavirus-Epidemie“ herausgegeben. Die Maßnahmen zielen bis auf Weiteres auf angepasste Praxisabläufe ab, solange die Coroana-Pandemie nicht abklingt.
Um das Risiko für das Praxispersonal zu verringern, wird zum Beispiel dazu geraten „dass Kinder möglichst nur noch von einem Elternteil ohne die Begleitung von Geschwistern und anderen Begleitpersonen“ die Haus- und Kinderarztpraxen aufsuchen sollten. Nur auf diese Weise könne das Ansteckungsrisiko, das gegebenenfalls von den Eltern ausgehe, reduziert werden. Bei Personen über 60 Jahre (etwa Großeltern oder nahe Angehörige von Familien) oder Erwachsenen mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen wird dringend angeraten, diese als Begleitpersonen von Kindern von den Praxen gänzlich fernzuhalten, um diese selbst zu schützen und auch andere Patienten nicht noch zusätzlich zu gefährden.
Vorsorge-Termine in den ersten beiden Lebensjahren und grundlegende Immunisierungen im Kleinkindesalter sollten nicht verschoben und stattdessen „zeitgerecht“ durchgeführt werden, rät der BVKJ Pädiatern und Hausärzten. „Verschiebbare Vorsorgeuntersuchungen ab 2 Jahren und nicht zeitgebundene sonstige Untersuchungen“ könnten hingegen nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der jeweiligen lokalen Lage durchaus auch später durchgeführt werden.
In diesem Zusammenhang fordert der BVKJ jedoch auf Bundesebene, dass der Zeitrahmen und die Verfristungsgrenzen der Vorsorgeuntersuchen (U3-U9) ausgesetzt bzw. verlängert werden. So sollten die Zeitkorridore zum Beispiel für die U8, die zwischen dem 43. und 48. Monat stattfinden, erweitert werden. Damit könnten zusätzliche Freiräume geschaffen werden, um alle Vorsorgetermine bis einschließlich zur U7 (in der Regel 21.-24. Monat) auch tatsächlich vornehmen zu können.
Entsprechenden Lockerungen hatten die Krankenkassen bereits am 16. März bei den für die Pädiater so wichtigen Heilmittelverordnungen (etwa für Ergo-, Stimm- oder Sprachtherapien für Kinder) zugestimmt. Diese müssen nicht mehr – wie bisher – in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach Ausstellung eines Rezepts erfolgen. Auch zwischen den Behandlungsterminen selbst kann nun der bisher gültige Zeitraum von bislang 14 Tagen überschritten werden.
Generell sollten laut BVKJ auch außerhalb der Versorgung von infizierten Patienten oder Verdachtsfällen zum Schutz der Hausärzte selbst wie auch des Praxispersonals „auf ein absolutes Minimum“ reduziert werden. So könnten Rezepte, Überweisungen oder Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen (AU) per Post zugesandt werden oder gegebenenfalls auch spezielle Abholzeiten und Abholorte vereinbart werden. Das Ausstellen einer AU sei jetzt für Eltern auch telefonisch möglich und könne auch entsprechend (über die GOP 01435 plus die GOP 40122 für das Porto) abgerechnet werden.
Zu allgemeinen (arbeits)rechtlichen Fragen hat der BVKJ zudem ein 9-seitiges Papier über „Rechtliche FAQ’s für Kinder- und Jugendarztpraxen“ erstellt. Es enthält kompakt zusammengefasste Informationen über den Praxisablauf (von der telefonischen Krankschreibung bis hin zur Abrechnung und Codierung) sowie über den Fürsorgepflichten gegenüber den Praxismitarbeitern (von Entschädigungen bei Tätigkeitsverboten bis zum Arbeitsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus Angst vor Ansteckung). Weiteres hierzu unter www.bvkj.de
Mit Erleichterung hat der BVKJ schließlich vorgenommene Kurskorrektur des Robert Koch-Instituts (RKI) aufgenommen, wonach das Medizinpersonal ab sofort nach engem und ungeschütztem Kontakt zu SARS-COV-2-Erkrankten bei dringendem Bedarf nicht mehr so lange wie sonst üblich in Quarantäne bleiben muss, solange keine Symptome auftreten. Damit soll nach Darstellung des RKI eine bessere Balance zwischen Praktikabilität und Patientenschutz erreicht werden. Genau diese Praktikabilität hatte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach im Gespräch mit der Ärzte-Zeitung zuvor eingefordert. Nur so könne verhindert werden, dass die ambulanten und stationären Versorgungsangebote in absehbarer Zeit einbrechen.
Raimund Schmid