91 Jahre wurde der Medizinhistoriker und Medizinethiker Prof. Dr. Eduard Seidler alt. Er verstarb am 7. Dezember 2020. "Seidler hat durch sein Engagement in mehreren nationalen und internationalen Ethikkommissionen Maßstäbe gesetzt", heißt es im Nachruf von Prof. i. R. Dr. Hans Michael Straßburg.
Am 7. Dezember 2020 verstarb im Alter von 91 Jahren der Medizinhistoriker und Medizinethiker Prof. Dr. Eduard Seidler, dem die deutsche Pädiatrie besonders viel zu verdanken hat.
Bereits während seiner Weiterbildung zum Kinderarzt an der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg befasste er sich mit medizinhistorischen Themen und konnte sich dort nach einer gründlichen historischen Ausbildung 1965 im Fach Geschichte der Medizin habilitieren. Seine Antrittsvorlesung "Das Kind im Wandel wissenschaftlicher Betrachtung" ist noch heute lesenswert. Von 1967 bis 1994 war er Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte und Ethik der Medizin an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg. Wichtige Werke waren z. B. die Herausgabe des Bandes "Lebendige Pädiatrie" zusammen mit Paul Schweier zum 100-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde 1983, die umfangreiche Darstellung "Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau – Grundlagen und Entwicklungen" 1991 und zusammen mit Karl-Heinz Leven die "Geschichte der Medizin und der Krankenpflege". Auch seine Beiträge zu Themen der Sozialpädiatrie, z. B. "Der unruhige Säugling als historisches und anthropologisches Problem" oder zur Geschichte des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms sollten nicht vergessen werden. 1984 war er Gründungsmitglied der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, in deren Namen er die Jubiläumsschrift zum 125-jährigen Bestehen der Gesellschaft herausgab.
Von bleibender Bedeutung ist vor allem seine Publikation "Jüdische Kinderärzte 1933 – 1945 – entrechtet – geflohen – ermordet", die 2000 erstmals im Bouvier-Verlag erschien und 2007 in erweiterter Form im Karger Verlag neu aufgelegt wurde. Seine Datei zum Schicksal der jüdischen Kinderärzte im deutschsprachigen Raum hat international hohes Ansehen erhalten und wurde von ihm bis in die jüngste Zeit vervollständigt. Außerdem hat Seidler durch sein Engagement in mehreren nationalen und internationalen Ethikkommissionen Maßstäbe gesetzt.
Darüber hinaus hat er sich aber auch sehr praktisch für eine moderne Pädiatrie vor Ort eingesetzt, z. B. durch die Unterstützung der heute selbstverständlichen Mitaufnahme eines Elternteils während der Klinikbehandlung und eine verbesserte psychosoziale Betreuung von ausländischen Familien und psychisch traumatisierten Kindern. Für eine große Zahl von Promovenden war er ein zwar strenger, aber immer hilfsbereiter "Doktorvater" und auch dem Autor dieser Zeilen hat er wiederholt mit verständnisvollen konkreten Ratschlägen geholfen.
Dabei hat er mehrfach beklagt, dass die für ihn notwenige historische Aufarbeitung von einigen Vertretern seines Faches nicht so ernst genommen wird. Er wird vielen fehlen, aber die dankbare Erinnerung bleibt.
Prof. i. R. Dr. Hans Michael Straßburg
Mitglied der Historischen Kommission der DGKJ
Emil von Behringweg 8
97218 Gerbrunn
E-Mail: strassburg_hm@icloud.com
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (2) Seite 124