Bei einer Kindeswohlgefährdung denkt man in erster Linie an eingefahrene, übersichtliche und verlässliche Melde- und Kommunikationswegen über Behörden und (Jugend-)Ämter. Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Denn die Bearbeitung eingehender Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährdung geschieht im deutschen Behördendschungel längst nicht so, wie es sein sollte.

Dies jedenfalls ist das Ergebnis der ersten deutschlandweiten Studie „Licht ins Dunkel bringen“, ein Gemeinschaftswerk der Organisationen SOS-Kinderdörfer und Transparency Deutschland. Danach ist „nur ein Drittel der deutschen Jugendämter in der Lage, alle eingehenden Meldungen auf mögliche Kindeswohlgefährdungen aufzunehmen und zügig zu bearbeiten.“ Das bedeutet im Umkehrschluss: Zwei Drittel aller Jugendämter schaffen genau das nicht.

Die Untersuchung basiert auf einer Auswertung bestehender Meldewege bei 140 zufallsgeneriert ausgewählten Jugendämtern, einer per Mail und Brief erfolgten Umfrage bei Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern (Rücklauf: 199 digitale, 39 analoge Fragebögen) sowie auf der Basis von 21 qualitativen, einstündigen Interviews mit Verantwortlichen aus den Ämtern. Und das sind die zentralen 3 Erkenntnisse daraus:

  • Lediglich ein Drittel der befragten Behördenmitarbeiter benennt eine konkrete Ansprechperson, an die sich Hinweisgeber wenden können.

  • Ein Drittel der befragten Ämter benennt anonyme Meldungen als „häufige oder sehr häufige Hinweisquelle“. Trotzdem gibt nur jede fünfte Behörde erkennbar diese Meldeoption an.

  • Deutlich weniger als die Hälfte aller Jugendämter (41,4 Prozent) erklären konkret, was mit Begriffen wie „Kindeswohlgefährdung“ oder „Kindesmissbrauch“ gemeint ist und welches Verhalten dabei überhaupt gemeldet werden soll. Dabei sind für Laien solche Erklärungen dringend notwendig.

Transparency und SOS-Kinderdörfer halten es daher für unerlässlich, bessere Regularien zu Melde- und Kommunikationswegen zu schaffen. Dafür müssten die Personalressourcen der Ämter aufgestockt sowie öffentlich wahrnehmbare Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen aufgesetzt werden. Hinweise aus der Nachbarschaft blieben jedoch – wie bisher schon – auch künftig unerlässlich, dürften aber in keiner Weise ein entschiedeneres Handeln von Ämtern ersetzen.


Raimund Schmid