Kinder- und Jugendpsychiater haben Kritik daran geübt, dass Antipsychotika (AP) in jungen Jahren bei Störungen außerhalb der Indikationen verordnet werden. Und das mit steigender Tendenz und mit unerwünschten Folgen.

Eine Folge davon: Vom Jahr 2011 bis 2020 ist die Rate der Antipsychotika-Therapien in jungen Jahren um 16 Prozent hochgeschnellt, berichten Jugendpsychiater vom Uniklinikum Ulm. Die Arzneien würden zudem zunehmend außerhalb der Indikation eingesetzt. Konkret kämen diese bei Kindern und Jugendlichen zunehmend auch bei Unruhe, Angst und Schlafstörungen zum Einsatz. Die Medikamente seien aber eigentlich gegen Erkrankungen wie Schizophrenie oder bipolare Störungen vorgesehen, bekräftigt Professor Christian Bachmann von dem Klinikum.

Der Leiter der AG Versorgungsforschung an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie und sein Team haben zusammen mit weiteren Instituten, Unis und dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Berlin ermittelt, dass im 10-Jahres-Zeitraum die Rate der mit typischen Antipsychotika (AP der ersten Generation) Behandelten pro 1.000 Kinder und Jugendliche von 1,16 auf 1,35 und damit um 16 Prozent angewachsen ist. Die Rate von Behandelten mit atypischen Antipsychotika (moderne AP) stieg sogar von 2,35 auf 2,75 pro 1.000 und (17 Prozent). Besonders stark war danach die Zunahme bei Mädchen (Front Psychiatry. 2023; online 12. Dezember).

Der markante Anstieg des AP-Gebrauchs bei 15- bis 19-jährigen Mädchen und jungen Frauen ist laut Bachmann größtenteils auf eine vermehrte Anwendung des atypischen Antipsychotikums Quetiapin zurückzuführen. Ursache hierfür könnte der unzureichende Zugang zu psychosozialen Therapien sein. Die Folge sei auch hierbei schwerwiegend: Denn nach Studiendaten ist das Risiko für unerwünschte Veränderungen im Stoffwechsel sowie für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse selbst bei niedrigdosiertem Quetiapin-Gebrauch erhöht.

Aufgrund des deutlichen Anstiegs der Verordnungen sowie des Datenmangels in dieser vulnerablen Gruppe empfehlen die Forschenden, die Sicherheit des Quetiapin-Gebrauchs bei Kindern und Jugendlichen weiter zu untersuchen. Darüber hinaus müsste die Einführung von Monitoring-Maßnahmen – etwa restriktivere Verschreibungsrichtlinien oder Schulungen für Verschreiber – entscheidend vorangetrieben werden.

Raimund Schmid