Eine Korrelation zwischen Kopfverletzungen und antisozialem Verhalten gilt als gesichert, da betroffene Jugendliche häufiger Straftaten begehen. Doch handelt es sich hierbei tatsächlich um eine kausale Verbindung?
Dänische Forscher vom Institut für Soziologie der Universität Kopenhagen sind in der bisher hierzu größten Studie dem Phänomen – dem Nachweis eines Zusammenhangs zwischen leichten Schädel-Hirn-Traumata und folgendem kriminellem Verhalten – nachgegangen (JAMA Pediatr 2024; online 30. September).
Eingeflossen sind dabei Daten von 343.027 Individuen, von denen 13.514 eine leichte Hirnverletzung erlitten hatten. Berücksichtigt wurden nur Hirnverletzungen bis zum Alter von zehn Jahren und Straftaten bzw. Strafanzeigen, die in der Alterspanne von 15 bis 20 Jahren begangen wurden.
Zwar konnte dabei tatsächlich eine um rund ein Drittel höhere Rate von Strafanzeigen oder Verurteilungen nach Straftaten aller Art (Vandalismus, Gewalttaten) vor dem Alter von 20 Jahren für diejenigen jungen Menschen belegt werden, die als Kinder ein leichtes Hirntrauma erlitten hatten (8,4 % im Vergleich zu 6,3 % für Anzeigen, 6,6 % im Vergleich zu 5 % für Verurteilungen). Eine lange Zeit vermutete kausale Verbindung zwischen dem Hirntrauma und der Straffälligkeit konnte jedoch in keiner Weise nachgewiesen werden.
Im Vergleich mit Geschwistern und insbesondere Zwillingen ohne leichte Hirnverletzungen lag die Rate an kriminellem Vergehen der betroffenen Jugendlichen mit leichter Hirnläsion nicht höher. Eine statistische Signifikanz war daher nicht herzustellen. Einschränkend weisen die Studienautoren jedoch darauf hin, dass im Geschwistervergleich, trotz Berücksichtigung wesentlicher Einflussfaktoren, wie etwa Einkommen, Bildung oder die genetische Übereinstimmung der Geschwister, weitere relevante Merkmale gegebenenfalls nicht adäquat berücksichtigt wurden.
Dennoch ist das Fazit der dänischen Studienautoren eindeutig: leichte Schädel-Hirn-Traumata im Kindesalter bis zu zehn Jahren begünstigen nicht ein kriminelles Verhalten in der Adoleszenz und in jungen Erwachsenenjahren. Gesundheitspolitisch sind diese Erkenntnisse von großer Bedeutung: Frühe Interventionen mit dem Ziel, solche kriminellen Taten zu verhindern, führen wohl nicht zu einer Verringerung späterer Straftaten.
Raimund Schmid