Mit dem "Gute-Herz-Gesetz" sollen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglichst früh erkannt und bekämpft werden. Dazu sieht es unter anderem auch den Ausbau der Früherkennungsuntersuchungen vor. Doch speziell die neuen geplanten Maßnahmen für Kinder sind umstritten.
Das im Juni vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz sieht unter anderem vor, dass Kinder und Jugendliche künftig im Rahmen der Kinder- und Jugenduntersuchungen Anspruch auf erweiterte Leistungen zur Früherkennung von Fettstoffwechselerkrankungen haben. Damit sollen insbesondere Kinder mit familiärer Hypercholesterinämie frühzeitig erkannt und behandelt werden. Diese angeborene und durch Lebensstiländerungen nicht ausreichend beeinflussbare Erkrankung bedeutet ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits im jungen Erwachsenenalter.
Das IQWiG sieht ein flächendeckendes Lipidscreening kritisch und empfiehlt stattdessen ein Kaskadenscreening, das bei Familienmitgliedern (insbesondere Eltern) ansetzt, bei denen nach einem kardiovaskulären Ereignis oder bei Gesundheitsuntersuchungen eine familiäre Hypercholesterinämie diagnostiziert wurde. Grundsätzlich ist es sinnvoll, Kinder und Jugendliche mit familiärer Hypercholesterinämie und hohem Risiko für frühe Herzinfarkte und Schlaganfälle zu identifizieren. Studien, die ein flächendeckendes Screening mit anschließender Therapie untersuchen, sind laut IQWiG derzeit nicht bekannt. Das Institut verweist aber auf die niederländische Luirink-Studie, in der das Herz-Kreislauf-Risiko von 214 Kindern untersucht wurde (N Engl J Med 2019;381(16):1547-1556). In dieser Studie verlangsamte der Beginn einer Statintherapie in der Kindheit bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie das Fortschreiten der Intima-Media-Dicke der Halsschlagader und verringerte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter. Die Kinder wurden im Durchschnitt ab dem Alter von 14 Jahren mit Statinen behandelt, 20 Jahre später hatte nur eine Person aus dieser Gruppe ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten. Bei den Eltern mit familiärer Hypercholesterinämie hatte dagegen etwa ein Viertel bis Ende 30 bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten. Eine Behandlung mit Statinen war bei den Eltern vor dem 35. Lebensjahr nicht möglich, da diese erst seit 1988 zur Verfügung stehen.
Ein Kaskadenscreening hätte nach Einschätzung des IQWiG gegenüber einem generellen Screening den Vorteil, dass insbesondere schwerer verlaufende Subtypen der familiären Hypercholesterinämie erkannt würden. Zudem würde sich die Therapie - auch aufgrund der zu erwartenden höheren Compliance - auf besonders therapiebedürftige Personen konzentrieren.
Katharina Maidhof-Schmid