Die Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD) ist eine sehr häufige und heute auch oft nach der Geburt noch übersehene chronische Erkrankung. Die Inzidenz wird auf 1,77 Kinder pro 100 Lebendgeborene geschätzt.

FASD gehört damit zu den häufigsten bei Geburt bestehenden chronischen Erkrankungen und führt zu deutlichen Beeinträchtigungen der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in der Entwicklung, Kognition und selbstständigen Lebensführung. Da durch konsequenten Verzicht auf Alkohol während der Schwangerschaft FASD vermieden kann werden, kommt der Prävention durch Aufklärung und Sensibilisierung der werdenden Eltern über die Gefahr der Alkoholschädigung des ungeborenen Kindes eine hohe Bedeutung zu.

Alkohol gelangt ungehindert über die Plazenta in den embryofetalen Kreislauf und kann die Entwicklung aller Organe negativ beeinflussen. Besonders vulnerabel während der gesamten Schwangerschaft ist das sich entwickelnde kindliche Gehirn.

Laut der Studie „Gesundheit in Deutschland Aktuell“ (GEDA) haben etwa 20 Prozent der schwangeren Frauen einen moderaten und circa acht Prozent einen riskanten Alkoholkonsum. Zwölf Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, einmal pro Monat fünf oder mehr alkoholische Getränke zu trinken.

Eine allgemeine Prävention richtet sich an die gesamte Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen – unabhängig von individuellen Risikofaktoren– und dient in erster Linie der Aufklärung und Sensibilisierung. In Bezug auf FASD umfasst diese Präventionsstrategie Maßnahmen, die frühzeitig und breitflächig über Alkoholkonsum während der Schwangerschaft und FASD informieren und Menschen für diese und damit verbundene Themen sensibilisieren.

Zu diesen Maßnahmen gehören massenmediale Aufklärungskampagnen, Warnhinweise auf Alkohol enthaltenden Getränkeflaschen (bisher nicht auf deutschen Produkten verpflichtend) und allgemeine Informationsbereitstellung über beispielsweise in Arztpraxen oder Kliniken ausliegende Flyer. Auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden Informationsmaterialen wie Faltblätter, Fachpublikationen und Beratungsbände für verschiedene Berufsgruppen zur Verfügung gestellt.

Wie repräsentative Erhebungen in der deutschen Bevölkerung bei Personen ab 14 Jahren aus den Jahren 2014 und 2017 zeigen, bestehen hohe Zustimmungsraten zur Aussage, dass Alkohol während der Schwangerschaft generell problematisch ist: von 85 Prozent der Befragten im Jahr 2014 und von 89 Prozent im Jahr 2017. Allerdings hielten 2014 nur 56 Prozent der Befragten die Aussage für richtig, dass der Alkoholkonsum einer schwangeren Frau im schlimmsten Fall zu schweren, lebenslangen Behinderungen des Kindes führen kann. Im Jahr 2017 erhöhte sich dieser Anteil auf 70 Prozent.

In der Internationalen Charta zur Prävention der FASD wird als wichtige universell ausgerichtete Präventionsmaßnahme die Vermittlung genereller Information durch Materialen über FASD in Schulen für beide Geschlechter genannt. Der Aufklärung über FASD im Schulunterricht wäre somit sehr gut geeignet, Jugendlichen bereits vor Eintreten einer Schwangerschaft und somit primärpräventiv Informationen über die gravierenden Folgen von Alkoholkonsum für das ungeborene Kind und die Auswirkungen auf das Leben von Betroffenen zu vermitteln.

Diese Form der frühen FASD-Prävention ist jedoch aktuell nicht in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen integriert. Das BMG förderte von 2015 bis 2018 das Projekt „Schwanger? Dein Kind trinkt mit! Alkohol? Kein Schluck– kein Risiko!“ für SchülerInnen ab der 8. Schulstufe, welches von der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. entwickelt und im Rahmen von 1.230 Veranstaltungen durchgeführt wurde.

Die Ergebnisse der begleitenden clusterrandomisierten Wartekontrollgruppenstudie zeigten Effekte der Intervention bezüglich des Wissens über den Umgang und über die Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft. Der Anteil an SchülerInnen, welche angaben, dass Frauen in der gesamten Schwangerschaft keinen Alkohol trinken sollten, verdoppelte sich.

Zur universellen Prävention gehört neben der Aufklärung der Allgemeinbevölkerung und der Frauen im gebärfähigen Alter auch die Aufklärung werdender Väter. Universelle Prävention im Bereich FASD beinhaltet aber letztlich auch die Aufklärung und Schulung von Fachkräften aus dem Gesundheitsbereich. Eine Umfrage unter 428 Professionellen in Deutschland hatte zwar ergeben, dass über 95 Prozent das Risiko der intrauterinen Alkoholexposition für die kindliche Entwicklung kannten, die Prävalenz mütterlichen Alkoholkonsums und der FASD jedoch deutlich unterschätzten.


Quelle: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz | Ausgabe 6/2021
Autoren: Judith E. Moder, Lisa K. Ordenewitz, Julia A. Schlüter, Tobias Weinmann, Philine Altebäumer, Jessica Jung, Florian Heinen, PD Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf


Katharina Maidhof-Schmid