Der diesjährige Weltnichtrauchertag (WNRT) am 31. Mai stand unter dem Motto: "Schutz der Kinder vor dem Einfluss der Tabakindustrie". Pünktlich zu diesem Stichtag hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wichtige neue Informationen als Teilergebnis der Drogenaffinitätsstudie 2023 vorgestellt [1].

Seit 2006 führt die BZgA eine jährliche Repräsentativbefragung zum Substanzkonsum durch und erfasst jeweils ein Kohorte von etwa 7.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 25 Jahren.

Policy-Mix ist wirksam: "klassisches" Rauchen geht zurück

In der Tat sind gute Nachrichten zu vermelden: In Bezug auf das "klassische" Zigarettenrauchen darf man sich über einen weiteren Rückgang in der genannten Altersgruppe freuen. Dieser Verzicht ist nicht nur für jeden Einzelnen positiv, sondern auch perspektivisch und gesamtgesellschaftlich von Bedeutung, da in Deutschland die Zahl der Todesfälle durch klassisches Tabakrauchen weiterhin konstant hoch ist.

Der Anteil männlicher jugendlicher Raucher ist von 27,2 % (2001) über 9,3 % (2015) auf 7,2 % im Jahr 2023 zurückgegangen. Bei den 18- bis 25-Jährigen ist der Rückgang der Raucherquote nicht so eklatant, und es zeigen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede: Während 2001 fast die Hälfte der jungen Männer und kaum weniger junge Frauen (46,7 % versus 42,2 %) rauchte, sind es 2023 "nur noch" 33,6 % der männlichen und 18,4 % der weiblichen Befragten im Alter von 18 bis 25 Jahren [1].

Bei allen Relativierungen – es handelt sich um eine Befragung mit Selbstauskunft – dürften diese Ergebnisse nicht nur mit Antworttendenzen im Sinne sozialer Erwünschtheit in Verbindung stehen. Junge Frauen sind offensichtlich eher bereit, die weit verbreiteten Kenntnisse über das Gefahrenpotenzial von Nikotin für sich zu nutzen und auf das Rauchen zu verzichten; ein gutes Beispiel für Gesundheitskompetenz, denn diese beinhaltet ja nicht nur formale Kenntnisse; sie besteht auch und gerade im Nutzbarmachen und Anwenden von Informationen für eigene risikomindernde Entscheidungen und damit eigenes gesundheitszuträgliches Verhalten. Genderunterschiede in der Gesundheitskompetenz sind bekannt und sollen hier nicht im Vordergrund stehen. Dennoch sollte man tunlichst darüber nachdenken, auf welche Weise man die Gruppe der jungen Männer zielgruppenspezifisch(er) erreichen und motivieren kann.

Allein auf "Schutz" durch Erwachsene zu setzen – wie es das Motto des Weltnichtrauchertages proklamiert – würde nach heutigem Wissens- und Erfahrungsstand zu kurz greifen. Ein angemessenes Gleichgewicht von verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen ist auf jeden Fall zu bevorzugen. Sehr eindrucksvoll wird die Effektivität des Policy-Mixes in einer Darstellung aus dem BZgA-Alkoholsurvey 2016 [2] veranschaulicht (Abb. 1). Darin geht es auch um andere Suchtmittel wie Nikotin und Cannabis. Der Alkoholsurvey stellt wie die Drogenaffinitätsstudie, die neben Rauchen und Alkoholgebrauch nicht stoffgebundene Süchte erfasst, eine repräsentative longitudinale Studie dar. Beide liefern somit komplexe Informationen zum Monitoring des Suchtverhaltens.

Im BZgA-Alkoholsurvey sind die Zeitpunkte der wichtigsten Kampagnen zur Verhaltensprävention sowie die entscheidenden gesetzgeberischen und steuerpolitischen Maßnahmen verankert und – daraus resultierend – die daraus entstehenden Effekte auf das Rauchverhalten von 12- bis 17-jährigen Jugendlichen dargestellt.

Abb. 1: Policy-Mix Rauchen und Nierauchen bei Jugendlichen. 12- bis 17-jährige Jugendliche nach Geschlecht von 1979 bis 2016 [2].

E-Zigaretten sind bei Jugendlichen zunehmend gefragt

Positive Entwicklungen dürfen auch nicht darüber hinwegsehen lassen, dass Monitoring-Ergebnisse in einem anderen Segment des Rauchverhaltens von 12- bis 25-Jährigen Anlass zur Besorgnis geben: E-Zigaretten sind weiterhin mit steigender Tendenz gefragt. Insbesondere Einweg-E-Zigaretten – klein, bunt, preiswert – werden für harmlos gehalten und zunehmend konsumiert.

Bei der Studie gaben knapp 4,2 % der 12- bis 17-Jährigen und 11,2 % der 18- bis 25-Jährigen an, im Zeitraum von 30 Tagen vor Befragung E-Zigaretten oder Tabakerhitzer benutzt zu haben. Diese 30-Tage-Prävalenz mag "numerisch" niedrig erscheinen, steigt jedoch seit 2012 spürbar an. Zu bedenken ist auch, dass für einen Teil der Kohorte, die Minderjährigen im Alter von 12 bis 17 Jahren, Rauchen und Dampfen "eigentlich" verboten sind. Interessanterweise nahm insbesondere bei der älteren Gruppe der Konsum von Wasserpfeifen im genannten Zeitraum gegenläufig ab.

Schon bevor die E-Zigaretten auf den Markt gelangten, war vom Wirkungsmechanismus her klar, dass sich gesundheitliche Risiken aus Nikotin, aus den Vernebelungs- und Zusatzstoffen und aus möglichen Verunreinigungen ergeben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat 2021 in einer Stellungnahme zuletzt darauf hingewiesen [3]. Hier wurde auch die hitzebedingte zusätzliche Gefahr der Entstehung weiterer bedenklicher Substanzen thematisiert.

Gefährdung anderer durch Passivrauchen muss beachtet werden

Das häufige Ausblenden von toxikologischen Aspekten und das Verharmlosen von E-Zigaretten mag auch dadurch befördert werden, dass die Gefahr des Passivrauchens landläufig bagatellisiert oder gar negiert wird. Nun geben E-Zigaretten zwischen den Zügen keinen Passivrauch ab, belasten jedoch die Raumluft mit "kaltem Rauch", d. h. mit krebserregenden Partikeln, Nikotin und anderen Verbrennungsprodukten. Bis dato gibt es leider wenig aussagekräftige Studien bezüglich des Passivrauchens bei E-Zigaretten. Wenngleich in geringerem Maße als beim Konsum herkömmlicher Zigaretten, muss aber von einer Gesundheitsgefährdung für Menschen im Umfeld ausgegangen werden. Besonders bedenklich sind über das Säuglings- und Kindesalter hinausgehende Langzeitwirkungen relevanter Expositionen, wie die Abbildung aus dem Tabakatlas Deutschland 2020 [4] zeigt. Dabei wird klar, dass vulnerable Gruppen, insbesondere (junge) Kinder und einschlägig Vorerkrankte nicht durch Passivrauchen zusätzlich gefährdet werden sollten.

Seit dem Jahr 2016 hat man in besonderem Maße die Gefährdung von Kindern in den Blick genommen, die in PKWs mit rauchenden Erwachsenen zusammen sind. Die hohe Konzentration vor allem krebserzeugender Toxine wurde und wird von vielen Fachgesellschaften nicht nur als schwerwiegendes Gesundheitsrisiko, sondern sogar als konkrete Gefährdung des Kindeswohls angesehen. Unter dem Dach der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (heute: Bündnis für Kinder- und Jugendgesundheit e. V.) wurde von ihrer Kommission Kinderschutz im Januar 2016 ein entsprechendes Positionspapier auf den Weg gebracht, in dem ein Rauchverbot in Autos von Kindern gefordert wurde [5]. Die Bundesärztekammer [6], das Deutsche Krebsforschungszentrum und die damalige Drogenbeauftragte Marlene Mortler hatten allesamt diese Forderung erstmals in den Raum gestellt (siehe Abb. 2). Man mag darüber spekulieren, warum diese Umsetzung nicht – wie z. B. in Schottland – erfolgt ist. Es wird mutmaßlich nicht nur darum gehen, wie schwer ein solcher Gefährdungstatbestand zu erfassen und ordnungsrechtlich dingfest zu machen ist.

© BMG/C. Pump
Abb. 2: Da waren sich die Expertinnen und Experten bei der Pressekonferenz "rauchfrei unterwegs" einig: Kinder sollten möglichst gar keinem Tabakrauch – in welcher Form auch immer – ausgesetzt sein. (von links: Dr. Matthias Brockstedt, Prof. Dr. Manfred Gahr, Martina Pötschke-Langer, Marlene Mortler, Prof. Dr. Heidrun Thaiss, Stefan Heimlich, Holger Hoffmann, Wolfgang Pabel)

Einige Politiker setzen auf die geplante Novelle des Präventionsgesetzes, in der der Nichtraucherschutz eine höhere Bedeutung bekommen soll. In der Politik hat die Debatte um die Cannabislegalisierung breiten Raum eingenommen und andere häufige Suchtmittel und dadurch bedingte Gefährdungen aus dem Blick gerückt.

Additive Aromen in E-Zigaretten haben zusätzliches eigenes Gefährdungspotenzial

Eine aktuelle Studie, als Metaanalyse [7] angelegt, weist auf bisher wenig beachtete weitere Gefahren hin: Einstiegs- und konsumfördernde Wirkung werden in nicht unerheblichem Maße durch beigefügte Aromen vermittelt. Für einige Aromen wurden zudem additive pathologische Einzeleffekte und sich verstärkende Synergien nachgewiesen. Durch ein von Zusatzduftstoffen befördertes, besonders tiefes genussvolles Inhalieren wird die Aufnahme von Nikotin und anderen toxischen Stoffen aus den Liquids zusätzlich gesteigert. Die Autoren gehen aufgrund ihrer Erkenntnisse sogar so weit [7], ein Verbot von Aromen auch für E-Zigaretten zu fordern, so wie es für andere Tabakerzeugnisse gilt.

Die Gesundheitsrisiken wurden bisher weitgehend aus präklinischen Daten extrapoliert. Angesichts der erwähnten 30-Tage-Prävalenzen erscheint es geboten, die Evidenzlage für schädliche Wirkungen auf heranwachsende junge Menschen und ihre Nachkommen zu verbessern. Auf diese kann sich dann politisches Entscheiden belastbarer stützen.

Ein weiterer Forschungskontext ist gerade aus sozialpädiatrischer Perspektive bedeutsam: Im März dieses Jahres wurden die Ergebnisse der umfänglichen, renommierten Studie zu Health Behaviour in School Aged Children [8] bekannt. Viele der Fragen, die an eine große repräsentative Schülergruppe gerichtet wurden, zielen auf subjektive Gesundheit, Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit, gesundheitliche Ungleichheit und Gesundheitskompetenz ab. Auch der "Präventionsradar 2023", durchgeführt seit 2016, besteht aus einer repräsentativen Schülerbefragung von jeweils knapp 15.000 Schülerinnen und Schülern aus 14 Bundesländern [9]. Nicht zuletzt im Sinne des sorgsamen Umgangs mit endlichen (Forschungs-)Ressourcen drängt sich – gerade bei der Konzeption neuer Befragungsdesigns für die Zielgruppe junger und heranwachsender Schüler – das Anliegen einer stärkeren Abstimmung und Koordination auf. Unabhängig davon liegt es nahe, Befragungen zum Konsumverhalten so auszurichten, dass mögliche Determinanten von Sucht- und Risikoverhalten parallel erfasst werden.

Erkenntnisse müssen stärker und gezielter genutzt werden

Für die Umsetzung des Erkenntnisgewinns in der Praxis wird es förderlich sein, dass man dort, wo Bedarfe identifiziert werden, gezielt und wirkungsvoll tätig werden kann. So könnten z. B. Schulgesundheitsfachkräfte (SGFK) dafür Sorge tragen, dass die jeweils aktuellen Inhalte und Bedarfe in schulische Gesundheitsförderung und Prävention Einzug halten und gesundheitspädagogisch aufgearbeitet werden. Gerade im Hinblick auf Suchtverhalten sind Förderung von Resilienz und Gesundheitskompetenz wichtig und können durch die SGFK vorangebracht werden. Mal mag es dabei um Alkohol, Nikotin, Lachgas oder E-Zigaretten gehen, ein anderes Mal um nicht stoffgebundene Süchte. SGFK können nachgewiesenermaßen aufgrund ihrer Expertise und der Zusammenarbeitsstrukturen in multiprofessionellen Teams wirkungsvoll zum Einsatz kommen.

Aktuelle Erkenntnisse aus den aufgeführten Studiendesigns könnten nicht nur für individuelle Entscheidungen und Weichenstellungen innerhalb von Systemen maßgeblich sein. Sie wären ein essenzieller Bestandteil evidenzgestützter wissenschaftlicher Politikberatung im Sinne der heranwachsenden und nachfolgenden Generationen.

Aus sozialpädiatrischer Sicht ergeben sich folgende Konsequenzen

  1. Allgemein: in jedem sich ergebenden Kontext auf die Thematik bzw. auf die Gefahren von E-Zigaretten hinweisen und so einer Verharmlosung von E-Zigaretten entgegenwirken; dabei aber auch ehrlich noch bestehende "Erkenntnislücken" benennen
  2. In der Schulgesundheitspflege: das Thema in schulische Curricula integrieren, in denen es um die Förderung von Gesundheitskompetenz geht, in fächerübergreifende Kontexte, etc.
  3. Bei Untersuchungsanlässen: bei der J1 (12 – 14 Jahre) und J2 (16 – 17 Jahre) sowie bei Entlass-Schüler-Untersuchungen gezielt nach evtl. Konsum fragen und konkret beraten
  4. Individuell und systemisch: genderspezifische Aspekte (stärker) beachten
  5. Im öffentlichen Raum: auf die Umsetzung des Jugendschutzes achten
  6. In der Politik/Anwaltschaft für Kinder:
  7. Forderung nach Rauchverbot im Auto erneuern
  8. sich gegen "harm reduction" zu Werbezwecken und andere Strategien zum Konsumanreiz durch die Industrie positionieren
  9. für verschärfte Einfuhrkontrollen, vielleicht auch für Aromenverbote eintreten
  10. In der Forschung: Erkenntnisse aus Studien zum Risikoverhalten junger Menschen stärker in Verbindung zu Ergebnissen anderer epidemiologischer Studien setzen, wie z. B. HBSC [8] oder DAK-Präventionsradar [9] und
  11. In der Praxis: diese Erkenntnisse im jeweiligen Tätigkeitsbereich und im gesellschaftlich-politischen Raum nutzen!

Literatur
1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2024) Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2023 – Ergebnisse zum Rauchen. (komprimiert in Faktenblättern vom 27.05.2024)
2. Thaiss H (2016) Wirksamkeit von Verhaltens- und Verhältnismaßnahmen am Beispiel des Rauchverhaltens Jugendlicher und junger Erwachsener. In: BZgA-Forschungsbericht: Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2015. Rauchen, Alkoholkonsum und Konsum von illegalen Drogen: aktuelle Verbreitung und Trends.
3. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2021) E-Zigaretten – alles andere als harmlos. Aktualisierte Fragen und Antworten des BfR vom 11. Mai 2021. https://bfr.bund.de/de/e_zigaretten__alles_andere_als_harmlos
4. Deutsches Krebsforschungszentrum DKFZ (2020) Gesundheitliche Folgen des Passivrauchens im Kindesalter und mögliche Langzeitfolgen im späteren Leben. Tabakatlas Deutschland 2020, S. 27 (https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Buecher_und_Berichte.html)
5. Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) (2016) Stellungnahme der DAKJ-Kinderschutzkommission https://dakj.de/wp-content/uploads/2026/06/2016-kinderschutz-auto-rauchfrei-initiative.pdf; https://www.buendnis-kjg.de/pressemitteilungen/kinder-und-jugendaerzte-unterstuetzen-aktion-rauchfrei-im-auto-der-bundesdrogenbeauftragten/
6. Deutsches Ärzteblatt (02. 08. 2017) Fast eine Million Kinder sitzen regelmäßig in Raucher-Autos (aerzteblatt.de)
7. Sommer N, Franzen K, Anders S, Pankow W, Kunstmann W et al. (2024) Gesundheitsschädliche Wirkungen von Aromen in E-Zigaretten. Dtsch Med Wochenschr 149: 646 – 653
8. Robert Koch-Institut (2024) Die Kinder- und Jugendgesundheitsstudie "Health Behaviour in School-aged Children" (HBSC) der WHO – Nationale Survey-Ergebnisse 2022 und Trends. J Health Monitoring 1/24
9. DAK (2023) Ergebnisbericht 2022/2023 des Präventionsradars 2023: Wohlergehen und Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Gesundheitliche Chancengleichheit im Fokus. 7. Befragungswelle. DAK-Berichtswesen

Autor:
Dr. Ulrike Horacek
Vorstandmitglied der DGSPJ
Geschäftsstelle der DGSPJ
Chausseestraße 128/129, 10115 Berlin
Tel.: 0 30/40 00 58 86


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (6) Seite 458-462