Weisen ehemalige Frühgeborene, die mit Docosahexaensäure (DHA) behandelt wurden, im Alter von 5 Jahren einen höheren Intelligenzquotienten auf als jene ohne Behandlung? Das hat eine australische Forschergruppe geprüft.

Docosahexaensäure (DHA) ist eine mehrfach ungesättigte Fettsäure. Sie gehört der Klasse der Omega-3-Fettsäuren an. Der Mensch synthetisiert DHA aus α-Linolensäure (ALA), welche daher als essenziell eingestuft ist. Studien zeigen, dass ALA in DHA umgewandelt werden kann. Als Fettsäurekomponente von Phospholipiden ist DHA ein bedeutender Bestandteil von Membranen, vor allem der Nervenzellen. So findet sich DHA insbesondere im Gehirn.

Von besonderer Bedeutung ist die prominente Verstoffwechselung im letzten Schwangerschaftstrimester, weshalb Frühgeborene, die vor der 29. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren wurden, oftmals DHA-Mangelzustände aufweisen. Die hieraus resultierenden Effekte bzw. der nachfolgende Einfluss auf die kognitive Entwicklung ist bislang nicht gut untersucht.

Eine australische Forschergruppe hat die kognitive Entwicklung von ehemaligen Frühgeborenen im Alter von 5 Jahren geprüft, die in eine Studie mit DHA-Supplementation zur etwaigen Verhinderung einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) eingeschlossen wurden. In diese Studie wurden Frühgeborene mit einem Gestationsalter vor 29 SSW in einer 1:1-Randomisierung ­eingeschlossen. Diese erhielten innerhalb der ersten 3 Tage nach Beginn der enteralen Ernährung bis zur 36. Schwangerschaftswoche postmenstruelles Alter oder zum Zeitpunkt der Entlassung entweder 60 mg DHA je KG Körpergewicht oder eine Kontroll­emulsion. Die Untersuchung wurde in 13 Zentren durchgeführt. Aus 5 Zentren wurden für die nachfolgende Intelligenztestung mittels Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence (­WPPSI) Frühgeborene Kinder im Alter von 5 Jahren eingeladen. Als primärer Studienendpunkt wurde der Full Scale Intelligence Quotient (FSIQ) verwendet. Sekundäre Studienendpunkte beinhalteten Komponenten des WPPSI.

Es wurden 1.273 Frühgeborene in die ursprüngliche „BPD-Studie“ eingeschlossen. Von 656 überlebenden Kindern aus den 5 Zentren konnten 480 (73 %) untersucht werden. 241 ließen sich der DHA-Gruppe und 239 der Kontrollgruppe zuordnen. Der mittlere FSIQ-Score (±SD) betrug in der Interventionsgruppe 95,4 % (±17,3) und 91,9 (±19,1) in der Kontrollgruppe (adjustierte Differenz 3,45; 95 %-KI 0,38 – 6,53; p = 0,03). Die Ergebnisse für die sekundären Studienendpunkte ergaben ebenfalls keinen relevanten Unterschied.

Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass Frühgeborene, geboren vor der 29. SSW, welche mit DHA zur Prävention einer BPD behandelt wurden, keine signifikant bessere Intelligenzentwicklung im Alter von 5 Jahren aufweisen als jene ohne Substitution.

Kommentar:
Die Untersuchung nutzt eine Studie, die eine DHA-Supplementierung zur Prävention der BPD im Fokus hatte. Mit DHA behandelte Frühgeborene wiesen keinen höheren Intelligenzquotienten auf, als jene aus einer Vergleichsgruppe ohne Behandlung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kognitive Entwicklung von Frühgeborenen durch eine Vielzahl weiterer Faktoren determiniert wird. Hierbei ist insbesondere auch das soziale Umfeld zu nennen. Eine monokausale Herangehensweise mit Substitu­tion von DHA zur Verbesserung der Kognition erscheint ­daher wenig sinnvoll.

Literatur
Gould JF et al. (2022) Neonatal Docosahexaenoic Acid in Preterm Infants and Intelligence at 5 Years. N Engl J Med 387: 1579


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (2) Seite 84