Für eine kontrollierte Öffnung der Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungs-einrichtungen sprechen sich die pädiatrischen Verbände aus. Doch wie kann das in Zeiten einer Pandemie funktionieren?

In einer gemeinsamen Stellungnahme hat sich damit jetzt ein fachübergreifender Zusammenschluss von sechs Organisationen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Bildung, Erziehung und Ökonomie auseinandergesetzt. Zu ihnen gehören die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, die Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), die Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung, der Verein für Socialpolitik und die Stiftung Kindergesundheit.

In ihrem Votum plädieren sie für eine kontrollierte Wiederaufnahme des regulären Betriebs von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen mit Beginn des neuen Schuljahrs.

„Keiner der in Deutschland gewählten Schritte gegen die Corona-Pandemie betrifft so viele Menschen wie die Schließung von Kita und Schule: Wir sprechen hier von über 11 Millionen Kindern, denen in den letzten Monaten enorme Einschränkungen zugemutet wurden“, stellt Prof. Dr. Berthold Koletzko, von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und von der Stiftung Kindergesundheit heraus. Und weiter: „Für die Öffnung von Kitas und Schulen gibt es wissenschaftlich erarbeitete Schutzkonzepte, die zum Beispiel über konstante Gruppenzusammensetzung und unter Beachtung von Hygieneregeln ein Angebot mit möglichst geringen Einschränkungen ermöglichen.“

„Insgesamt tragen Kinder und Jugendliche in der aktuellen Krise eine hohe Last, die zwar kurzfristig nicht direkt sichtbar ist, die sich aber langfristig in weitreichenden Folgen zeigen kann.“ Davon ist auch Prof. Dr. Oliver Dickhäuser von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) überzeugt. Und: Für einige Kinder und Jugendliche habe die bisherige starke Einschränkung von Bildungs- und Betreuungsangeboten zu teils gravierenden negativen Effekten auf die psychische, soziale und gesundheitliche Verfassung geführt.

Mit der Stellungnahme fordern die unterzeichnenden Organisationen die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, Kinder und Familien wesentlich stärker in den Fokus ihrer politischen Überlegungen zu stellen.

Es müsse alles getan werden, um Kindern und Jugendlichen wieder den vollumfänglichen Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen zu ermöglichen und gleichzeitig eine „sichere Arbeitssituation“ für Erzieher und Lehrer zu gewährleisten. Das genau ist auch die zentrale Aussage eines weiteren Positionspapiers, das unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sowie mehreren pädiatrischen Gesellschaften und Verbänden - darunter dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) – unterzeichnet ist.

Deren Präsident, Dr. Thomas Fischbach, sagte gegenüber „Ärzte Zeitung“: „Uns geht es darum, dass es nicht erneut zu kompletten Schulschließungen kommt, wenn neue Infektionsfälle auftreten.“ Daher habe man Hygiene- und Abstandsempfehlungen dem jeweiligen Kindesalter und der Situation vor Ort auf Basis einer „differenzierten Risikoadjustierung“, angepasst.

Konkret bedeutet dies, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, der Unterricht in festen Klassenverbänden, Gruppenarbeit oder Abstandsregeln im Klassenzimmer jeweils „abhängig von der Inzidenz des Auftretens neuer Infektionen in einem bestimmten Landkreis“ entschieden werden müsse. Nur so könnten erneute pauschale Schulschließungen bundes- oder landesweit vermieden werden.



ras