Vor genau 100 Jahren wurde in Toronto der erste Diabetes-Patient, ein 14-jähriger Junge, mit Insulin behandelt. Damit begann eine neue Ära in der Diabetesbehandlung. Mit weitreichenden Folgen bis heute.
Industriell produziertes Insulin wird sowohl in den USA als auch in Europa eingesetzt. 1924 kommt die erste Insulinspritze. Humaninsuline werden seit 1983 verwendet und der Einsatz der ersten Insulinpumpe ist ein weiterer Meilenstein in der Diabetes-Therapie.
Heute nutzten mehr als 60 Prozent aller an Diabetes erkrankten Kinder und Jugendlichen eine Insulinpumpe, im Kleinkindesalter sogar über 90 Prozent. Viele an Diabetes erkrankte Teenager verwenden zudem einen Sensor zur Glukosebestimmung.
Dennoch - trotz aller Erleichterungen und technischer Neuerungen - ist die Bewältigung der Diabeteserkrankung für Kinder, Jugendliche und deren Familie nach wie vor eine Hürde im Alltag. Erschwerend kommen regionale Unterschiede in der Versorgung und eine unzureichende Inklusion in Kitas und Schulen hinzu. Schwierig ist es auch vor allem für Familien, die über wenig Gesundheitskompetenz verfügen.
Professor Andreas Neu, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), fordert daher anlässlich dieses Jubiläums eine fachkompetente und zugewandte Betreuung der Patienten mit Typ-1-Diabetes – insbesondere bei Erkrankungsbeginn im Kindes- und Jugendalter. Multiprofessionelle und spezialisierte Teams sollten flächendeckend an jeder Kinderklinik etabliert sein und sowohl die Erstversorgung sichern als auch eine verlässliche Langzeitbegleitung gewährleisten. Ganz wichtig ist auch die psychosoziale Begleitung der Familien. Nur so könne ein Leben gelingen, „wie es Gleichaltrige ohne Diabetes führen“, ist Neu überzeugt.
Auch die Medizintechnik macht weitere Fortschritte: In einer europäischen Studie wurde erneut belegt, dass die automatisierte Insulintherapie besonders auch bei kleinen Kindern praktikabel ist und im Vergleich zu Alternativen mit manueller Insulinanpassung die Stoffwechselsituation verbessert, ohne dass dabei das Hypoglykämierisiko steigt. Mithilfe programmierter Algorithmen setzt die Pumpe anhand der aktuellen Glukosewerte automatisch eine angemessene Insulindosis frei. Lediglich bei Mahlzeiten müssen die Eltern den Insulinbolus noch manuell anpassen.
Allerdings werden diese „hybriden closed-loop-Systeme“ noch zu wenig genutzt, da der Schulungsbedarf hoch ist und häufig an einer restriktiven Genehmigungspraxis der Krankenkassen scheitert. Denn jeder dritte Antrag auf eine Insulinpumpe bei Heranwachsenden wird laut Neu zunächst abgelehnt. Es sei daher überfällig, dass hier ein Umdenken stattfindet.
Katharina Maidhof-Schmid | Raimund Schmid