Bei depressiven Kindern und Jugendlichen mit Gewalt-Erfahrungen kommen suizidale Gedanken und Handlungen rund doppelt so oft vor wie bei denen ohne Gewalt-Erlebnisse. Das Suizid-Risiko hängt auch vom Alter der jungen Menschen ab.

Für die Suizid-Prävention ist es daher wichtig, nicht nur Jugendliche zu identifizieren, die depressiv sind, sondern auch diejenigen zu erkennen, die potenziell suizidgefährdet sind. Dabei spielen offenbar Gewalterfahrungen in der jüngeren Vergangenheit eine bedeutende und bisher stark unterschätzte Rolle. Nach den Ergebnissen einer US-Analyse von elektronischen Krankenakten sind sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt oder Vernachlässigung im Jahr vor der Depressionsdiagnose eng mit aufkommenden Suizidgedanken assoziiert.

Für diese Erkenntnisse hat ein Team der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta in den USA Angaben zu rund 15 % der US-Bevölkerung ausgewertet. Dies waren 24.000 Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren. Die Forschenden richteten ihr Augenmerk dabei auf diejenigen, bei denen in den Jahren 2017 und 2018 erstmals eine Depression diagnostiziert worden war. Zwei Drittel von ihnen waren weiblich. Insgesamt hatten 378 Kinder und Jugendliche im Jahr vor der Diagnose erstmals eine in den Krankenakten dokumentierte Gewalterfahrung erlebt. 43 % berichteten über Angriffe von Personen außerhalb der Familie. Rund ein Viertel war sexuell missbraucht worden. Alle anderen erlitten andere Formen von Gewalt.

Im Jahr nach der Depressionsdiagnose gab es bei rund 14 % aller Kinder und Jugendlichen Suizidgedanken. Mit knapp 28 % war der Anteil unter den Depressiven mit Gewalterfahrung genau doppelt so hoch wie bei denen ohne eine solche Erfahrung. Bereinigt um Faktoren wie Alter, Geschlecht, Herkunft oder auch Drogenkonsum stellte sich in der Gruppe mit Gewalterfahrungen ein um 70 % erhöhtes Risiko für suizidale Gedanken heraus. Allerdings: Insgesamt dürfte wohl die Dunkelziffer nicht erfasster Gewalt ebenso wie die Rate nicht erfasster Suizidgedanken bei Kindern und Jugendlichen sehr hoch sein, vermuten die Autoren der Studie.

Sie plädieren daher dafür, dass insbesondere Pädiater und Therapeuten gezielt nach Hinweisen auf Gewalterfahrungen achten sollten, um Suizidgedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen. Andernfalls müsse rasch eine intensive Therapie in Form einer Kombination aus Psychotherapie und Medikation veranlasst werden.

Raimund Schmid


Quelle: Centers for Disease Control and Prevention