Dieser Trend lässt nicht nur bei Kinder- und Jugendärzten die Alarmglocken schrillen: Seit 2019 hat sich die Zahl derer verdoppelt, bei denen ein problematisch hoher Medienkonsum bei Computerspielen, Streamingdiensten oder im Bereich der Sozialen Netzwerke vorliegt.

Diese neuen Daten resultieren aus einer Studie, die vom Marktforschungsinstitut Forsa gemeinsam mit der Krankenkasse DAK-Gesundheit und dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf in Auftrag gegeben wurde. Dafür sind 1.200 Familien mit Kindern im Alter von 10 bis 17 Jahren zwischen September 2019 und Juli 2022 insgesamt fünfmal befragt worden, um entsprechende Vergleichswerte im Zeitverlauf zu erhalten.

Die Ergebnisse im Detail: Rund 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind danach bereits mediensüchtig oder akut gefährdet, abhängig zu werden. Somit war im Sommer 2022 etwa jedes 16. Kind abhängig von Sozialen Medien und Computerspielen. Insgesamt seien bundesweit gut 600.000 Jungen und Mädchen (insbesondere Jugendliche) betroffen, bestätigt die DAK. Zwei von drei Computerspielsüchtigen sind Jungen. Als mediensüchtig gilt nach Kriterien der WHO, wer mindestens ein Jahr lang die Kontrolle über sein Nutzungsverhalten verloren hat und das Medienverhalten auch dann nicht ändert, wenn sich negative Folgen (Rückzug, gesundheitliche Beeinträchtigungen) zeigen.

Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, forderte angesichts der Ergebnisse aus der DAK-Studie dazu auf, „dass Kinder und Jugendliche lernen, die Risiken der Nutzung digitaler Medien einschätzen zu können und ihr Nutzungsverhalten zu reflektieren“. Der Weg dorthin und die Erfolgsaussichten hierfür dürften aber im digitalen Zeitalter immer schwieriger werden (siehe Kommentar).

Kommentar:
Verbote helfen nicht weiter: Es hört sich ein wenig hilflos an, was die Experten vorschlagen, um der grassierende Medienabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter etwas entgegenzusetzen. Klar, man kann gewisse Verhaltensregeln (etwa Pause für digitale Medien beim gemeinsamen Essen) festlegen. Die Ratschläge aber unter anderem auch vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bildschirmfrei bis 3, maximal 30 Minuten Bildschirmzeit bis zum Alter von 6 Jahren, kein eigenes Handy vor der 5. Klasse) sind zwar sicher sinnvoll, gehen jedoch voll an der heutigen Realität vorbei. Denn diese Forderungen sind heute kaum mehr durchsetzbar. Weit besser wäre es, Empfehlungen auszusprechen, wie Handys und Tablets auch anderweitig als moderne Plattform für Bildungsinhalte schon im Vorschulalter im Kindergarten und später erst recht in der Schule und zu Hause eingesetzt werden könnten. Gerade hier liegt noch sehr viel Potenzial brach!


Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (4) Seite 234