Die massiven Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen während der aktuellen Pandemie sind für Kinder und Jugendliche eine große Belastung. Das Wohlbefinden verringert sich insgesamt, das Risiko für psychische Auffälligkeiten ist erhöht. Dies und mehr zeigt die COPSY-Studie.
Die „AHA-Regeln“ bzw. auch andere Maßnahmen während des Lockdowns führen zu einer deutlich eingeschränkten Möglichkeit für Sozialkontakte nicht nur bei Erwachsenen, sondern insbesondere auch bei Kindern und Jugendlichen. Die Kontaktbeschränkungen können sehr belastend sein, insbesondere mit Blick auf die psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen. Eine Arbeitsgruppe um Frau Ravens-Sieberer und Herrn Hurrelmann hat insgesamt 1 040 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren per Selbsteinschätzung und deren Eltern (n = 1.040) per Fremdeinschätzung sowie weitere 546 Eltern in Fremdeinschätzung für ihre 7- bis 10-jährigen Kinder vom 26. 05. 2020 bis 10. 06. 2020 in einer Online-Studie untersucht. Die Teilnahmequote lag bei 46 %. Die Quotenstichprobe war repräsentativ (aktueller Mikrozensus 2018). Nach den Empfehlungen des International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM) wurden validierte Fragenbögen zur Erhebung psychosomatischer Beschwerden und zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität eingesetzt. Die Datenanalyse erfolgte mit einer deskriptiven Statistik.
Wesentliche Ergebnisse sind, dass der Altersdurchschnitt der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen (n = 1.040) 14,3 Jahre alt war. 51,1 % waren Mädchen und 15,5 % wiesen einen Migrationshintergrund auf. In der Elterngruppe betrug das Durchschnittsalter 43,9 Jahre. Das Altersmittel ihrer Kinder war 12,2 Jahre. Es wurden 55,7 % mit mittlerem Bildungsabschluss eingeschlossen.
71 % (95-%-Konfidenzintervall (KI): 68; 74) der Kinder und Jugendlichen fühlten sich durch die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie belastet. 65 % (95-%-KI: 62; 68) erlebten Schule und Lernen anstrengender als zuvor. 27 % (95-%-KI: 24; 30) berichteten, dass es häufiger zu Streitereien kam. 37 % (95-%-KI: 35; 39) der Eltern gaben an, dass Streit mit ihren Kindern öfter eskalierte. Bei 39 % (95-%-KI: 36; 42) der Kinder und Jugendlichen verschlechterte sich das Verhältnis zur Freundinnen und Freunden. Es traten vermehrt psychosomatische Beschwerden im Vergleich zu der Zeit vor der COVID-Krise auf. Zu den Beschwerden gehören Gereiztheit, Einschlafprobleme, Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit und Bauchschmerzen. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten stieg von rund 18 % (95-%-KI: 16; 20) auf 30 % (95-%-KI: 28; 32) während der Pandemie (SDQ, Proxy Report; Cohens f² = 0,04). Es ergab sich jedoch kein signifikanter Unterschied (p > 0,05).
Die Autoren der Studie vermuten, dass Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit einem schlechten Familienklima sowie einem niedrigeren Bildungsabschluss oder einem Migrationshintergrund in beengten Räumen leben und dann besonders gefährdet sind, die SARS-CoV-2-Pandemie als sehr belastend zu empfinden. Insgesamt diskutieren die Autoren, dass ihre Studie die Herausforderungen in Bezug auf Lebensqualität und psychisches Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen adressiert. Das Wohlbefinden verringert sich insgesamt, das Risiko für psychische Auffälligkeiten ist erhöht.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (1) Seite 12