Diabetologen machen sich für den Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften für chronisch kranke Kinder stark. Obwohl diese Fachkräfte sogar in Notfällen Leben retten könnten, beschränke sich die Politik bei diesem Thema weiterhin nur auf Lippenbekenntnisse.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Verein diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe reagierten damit auf ein Urteil des Landgerichts Mönchengladbach gegen zwei Lehrerinnen. Diese hatten als Aufsichtspersonen an einer Klassenfahrt teilgenommen, bei der 2019 eine an Typ-1-Diabetes erkrankte Schülerin an den Folgen einer Ketoazidose verstarb. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass die Lehrerinnen nicht ausreichend genug über den Gesundheitszustand der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler informiert waren und damit auch nicht angemessen auf die lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung des Mädchens reagiert hätten. Das sehen die Diabetes-Fachverbände vollständig anders. „Selbst wenn Lehrerinnen und Lehrer sich bemühen, mehr über chronische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu erfahren, stoßen sie mit ihren Kapazitäten immer wieder an Grenzen, da zu viele Aspekte berücksichtigt werden müssen,“ unterstrich Dr. Jens Kröger, Vorstandschef von diabetesDE. Zudem könnten medizinische Notfälle auch ohne eine schon vorher bestehende Grunderkrankung eintreten, ergänzte Professor Andreas Neu, Past-Präsident der DDG aus Tübingen.
In vielen europäischen Länder sind Schulgesundheitsfachkräfte bereits fest in der Gesundheitsversorgung und dabei unter anderem auch im Schulsystem etabliert, um zum Beispiel auch in lebensbedrohlichen Situationen adäquat reagieren zu können. Hierzulande ist deren Einsatz bisher nicht über Modellprojekte hinausgekommen, obwohl sich dort gezeigt hat, dass Gesundheitsfachkräfte Lehrkräfte, Eltern und chronisch kranke Kinder spürbar entlasten können. Daher wäre es laut Neu und Kröger überfällig, solche Fachkräfte auch in Deutschland fest im Schulsystem zu etablieren. Voraussetzung hierfür sei eine verlässliche und gesetzlich verankerte Finanzierung, wie sie sogar im Koalitionsvertrag der Ampel festgeschrieben worden ist und wie sie sich auch die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) seit langem wünscht.
Raimund Schmid