Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit verfolgt das Ziel, die Gesundheits- und Entwicklungschancen für alle Kinder zu optimieren. In diesem Kontext werden nun auch verstärkt die frühe institutionelle Betreuung und Entwicklungsanregung in den Blick genommen. Doch was muss passieren, damit die frühkindliche Bildung mehr Fahrt aufnimmt?

Ohne Investitionen in den quantitativen und qualitativen Ausbau institutioneller früher Betreuung zeichnet sich zunehmend ab, dass es nicht gelingen kann, allen Kindern in ihren Lebenslagen gerecht werden zu können. Dies ist auch Teil der Agenda der Regierungskoalition. Entwicklungsimpulse und Förderung sind in der frühkindlichen Phase besonders wirksam. Dies belegen nicht nur zahlreiche Studien, es wird auch durch jüngere neurobiologische Erkenntnisse untermauert. Sicherlich liegt die Sorge für Gesundheit und Entwicklung der Kinder zunächst ausschließlich bei ihren Eltern, allerdings lebt ein nicht unerheblicher Anteil von Familien in ungünstigen Lebenslagen. Dadurch sind die Gesundheits- und Entwicklungschancen ihrer Kinder häufig beeinträchtigt.

Hohe Rate an soziogen bedingten Entwicklungsstörungen

Jüngsten Schätzungen zufolge sind bei etwa 15 – 20 % der Kinder eines Geburtsjahrganges soziogen bedingte Entwicklungsverzögerungen oder -störungen zu verzeichnen. Die Coronapandemie hat die Problemlage wie ein Brennglas zusätzlich verschärft; zudem geraten Betreuungs- und Bildungseinrichtungen und kommunale Unterstützungsstrukturen angesichts der aktuellen Erfordernisse für Kinder aus der Ukraine weiter unter Druck. Zusätzlich alarmierend ist in diesem Zusammenhang die Prognose des Bertelsmann-Verlags in seinem Fachkräfte-Radar: Bis 2030 ist mit einem Defizit von bis zu 230.000 Fachkräften für Kita- und Grundschulbetreuung zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kommission "Frühe Betreuung und Kindergesundheit" des Bündnisses Kinder- und Jugendgesundheit (Bündnis KJG e. V.) nachdrücklich folgende Maßnahmen:

  1. eine breit angelegte, aber gezielte Imagekampagne für den Erzieherberuf; dabei sind nicht nur eine verbesserte Vergütung, sondern auch Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit in der frühen Pädagogik zu berücksichtigen
  2. eine Verstärkung und Beschleunigung der Qualifizierungsoffensive für Fachkräfte der vorschulischen Betreuung und Bildung, um den gestiegenen Anforderungen noch besser gerecht werden zu können
  3. Etablieren bzw. bedarfsabhängiges Ergänzen multiprofessioneller Teams in der Betreuung, zum Beispiel durch Kita-Gesundheitsfachkräfte. Dadurch kann den komplexeren Bedarfen von Kindern, Eltern und Betreuungspersonal begegnet werden und das pädagogische Fachpersonal dürfte zudem in größerem Umfang für seine originären Aufgaben zur Verfügung stehen.
  4. Etablierung bzw. Ausbau von Lotsenmodellen in den kommunalen Netzwerken, um den Zugang zum gesundheitlichen Regelversorgungssystem und zu früher institutioneller Betreuung zu verbessern. Zugleich kann dadurch das System der frühen Hilfen gezielt und wirksam um Maßnahmen der Gesundheitsprävention und Entwicklungsförderung ergänzt werden.

Wo auch immer gewünscht und möglich, steht die Kommission mit ihrer Expertise gern beratend und unterstützend zur Verfügung. Dabei arbeitet sie Hand in Hand mit dem Bundeselternverband für Kinder in Tageseinrichtungen (BEVKi).

Folge- und "Reparatur"-Kosten reduzieren

Ein verstärktes Engagement in die frühkindliche Betreuung und Entwicklungsanregung ist eine elementare und wichtige Investition in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Zahlreiche Studien belegen, dass neben dem individuellen Gewinn an Chancen für Kinder und Familien auch die Gesamtgesellschaft davon profitiert: Sie gewinnt durch eine gelingende Inanspruchnahme von Ressourcen und durch Reduktion von Folge- und "Reparatur"-Kosten. Darüber hinaus erhöht es die gesellschaftliche Kohärenz durch eine bessere Einbindung in solidarisch getragene demokratische Prozesse.

Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e. V. (vormals Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin) ist eine Vereinigung von Fachgesellschaften und Verbänden zur Koordinierung der gemeinsamen Aufgaben seiner Mitglieder. Ziel des Bündnisses, dem pädiatrische, aber auch nicht pädiatrische Vereinigungen angehören, ist die bestmögliche gesundheitliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen.


Korrespondenzadresse
Juliane Maneke, Geschäftsführerin Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit
Dr. med. Ulrike Horacek, DGSPJ
Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e. V.
Chausseestraße 128/129
10115 Berlin
Tel.: 0 30/4 00 05 88-0
Fax: 0 30/4 00 05 88-8
E-Mail: kontakt@dakj.de

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2022; 93 (5) Seite 398-399