Ulrich Fegeler, 2021, 376 Seiten, Spica Verlags- und Vertriebs GmbH. ISBN 978-3-98503-009-5; 14,90 Euro

Es ist sicher ungewöhnlich, wenn ein Pädiater einen Krimi schreibt. Noch ungewöhnlicher ist es indes, wenn er dann auch noch einen Verlag findet, der diesen Krimi publiziert. Und wenn sich dieser Krimi dann auch noch flott liest und man ihn eigentlich gar nicht mehr weglegen möchte, ist das bereits außergewöhnlich. Da hat der Autor dann einen richtig guten Job gemacht.

Das ist vor allem auch deshalb so, weil Fegeler seinen Krimi in einem Milieu im Gesundheitsbereich angesiedelt hat, in dem er lange als Anästhesist gearbeitet hat, bevor er dann als niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Spandau aktiv war. Seine Story, die im Buch im Kaiser August Viktor Klinikum spielt, ist somit authentisch. Und dann geht es gleich zu Beginn des Buches hoch her. Ein Patient und eine Krankenschwester sterben aufgrund einer Kaliumvergiftung. Wurden Infusionszusätze verwechselt? Waren vielleicht sogar Infusionsampullen fehletikettiert? Oder war es Absicht, und wer steckt in diesem Fall dahinter?

Prof. Dr. Otto Norbert Macht, kurz Onmacht genannt, und sein Leitungsteam der postoperativen Intensivstation stoßen dabei nach und nach auf immer mehr Ungereimtheiten und Vertuschungen. Der örtliche Pharmariese hat kein Interesse, nähere Erkundungen am Ablauf seiner Abfüllanlagen zuzulassen. Andrea Zorn und ihre Kollegen vom Dezernat für Gewaltkriminalität ermitteln ein programmloses Programm. Der Krankenhausapotheker Dr. Wöst sieht keinen Anlass für gründliche Medikamentenprüfungen. Prof. Gewaltig, der Chef der Intensivstation des 2. Großklinikums der Stadt und gefürchteter Gegenspieler von Onmacht, führt die Vorfälle auf Chaos und Verwechslungen zurück, unterstützt seinen Kontrahenten Onmacht diesmal jedoch nach Kräften. Es gibt insgesamt viele Verdächtige, die als Täter in Frage kommen. Bis zum Schluss bleibt so der Spannungsbogen erhalten. Und dann kommt es zum furiosen Finale, für manchen Leser vielleicht sogar mit den zu erwartenden Personen, in der Auflösung dann doch wieder völlig anders …

Ulrich Fegeler: Pädiater und Krimiautor

Ulrich Fegeler arbeitete 14 Jahre an Kliniken. Seine Arbeit als Klinikarzt hatte ihn in den frühen Berufsjahren stark geprägt, Das merkt man an vielen Stellen seines auch sozialkritischen Krimis. Zum Beispiel, wenn er die Frage des Oberarztes Martin Meyer aufwirft, ob zum Beispiel jeder Patient, der sich im Endzustand eines chronischen Leidens befindet, unbedingt noch reanimiert werden muss, um hernach einen quälend verlängerten Tod auf der Intensivstation entgegenzusehen. Herrlich in diesem Zusammenhang seine Anspielung auf Personen und Zeiten, die ihn stark geprägt haben. Zum Beispiel in der Szene, in der sich Ober- und Notarzt überlegen, an einer Kammerfortbildung zum Thema "Tod in Würde" von Hubert Ellias teilzunehmen. Eine klare Anspielung auf Ellis Huber, der es als Kind der 68er-Generation und als fähigster Kopf der Ärztelinken tatsächlich bis zum Ärztekammerpräsidenten in Berlin geschafft hat. An vielen Stellen im Buch kommen solche Analogien vor, selbst der Lieblingsgrieche der Protagonisten aus der damaligen Zeit bleibt da nicht außen vor.

Als Arzt hat sich Fegeler insbesondere für die soziale Chancengleichheit für Kinder aus armen Familien und Verwirklichung der Kinderrechte eingesetzt. Das hat er auch immer wieder mit validen Fakten und Daten belegt – auch zur wissenschaftlichen Fundierung der pädiatrischen Grundversorgung. Kein Wunder, dass er dabei in seinem Buch auch das Thema aufgreift, wie mit Begriffen wie "wissenschaftlich korrekt" gerade von wissenschaftlichen Kapazitäten getrickst und getäuscht wird. Seine Vorwürfe sind harsch: "Genau dem Gegenteil dessen, was der eigentlichen Wahrheit entspricht, wird häufig der Mantel des Richtigen und Wahren umgehängt und damit Falsches zum Richtigen umgemünzt."

Die sprachliche Gewandtheit des Autors, der lange Zeit auch bundesweiter Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte war, blitzt häufig auf. Zum Beispiel bei der Beschreibung der auf Gewaltkriminalität spezialisierten Andrea Zorn: "Ihr Nachname war nicht allein das Produkt jahrhundertlanger Namensweitergabe. Sie war aufbrausend, unbeherrscht und von zügellos, beinahe ordinäre Rede und Gestik. Die gereckte Faust mit dem ausgestreckten Mittelfinger war eine von ihr häufig gewählte Untermalung entsprechender Wortfindungen und es gab kaum einen Kollegen ihrer Dienststelle, der hiermit nicht bedacht worden wäre."

Man sieht also, in dem Krimi steckt noch weit mehr drin als der reine Plot der Handlung. Daher ist er absolut lesenswert. Es ist gerade deshalb auch ein besonderer Krimi, weil er so eben noch nicht tausendfach geschrieben und so tatsächlich eine Nische besetzt.

Besonders außergewöhnlich wäre es aber nun, wenn der Autor sich nun an eine Fortsetzung seines gelungenen Krimis machen würde. Und wie es die Spatzen von den Dächern in Berlin bereits pfeifen, soll er da auch schon dran sein …

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Autor
Raimund Schmid, Aschaffenburg

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (6) Seite 437-438