Alexander von Gontard. 300 Seiten, 26 Abbildungen, 2021. Kohlhammer Verlag, Stuttgart. ISBN 978-3-17-035159-2; 49,00 Euro

Der Kinder- und Jugendpsychiater und Kinderarzt Alexander von Gontard ist nicht nur ein anerkannter Spezialist für Ausscheidungsstörungen, sondern auch ein exquisiter Kenner der buddhistischen Kultur und der Gedankenwelt des bedeutenden Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung. So hat er bereits 2 beachtenswerte Bücher über die "Kindliche Spiritualität" und auf Englisch "Buddhist Understanding of Childhood Spirituality. The Buddha’s Children" veröffentlicht. Jetzt ist eine erweiterte Version unter dem Titel "Buddhismus und kindliche Spiritualität" im Kohlhammer-Verlag erschienen.

Die Lehre des Buddha ist über 2.500 Jahre alt und doch zeitlos. In der hier vorgestellten Form ist sie ohne dogmatische Festlegungen, fordert die Achtsamkeit vor der ganzen Schöpfung und hilft bei der Erkennung eines "mittleren Lebensweges".

Es ist ein sehr persönliches Buch – viele eigene Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kindheit des Autors und aus der Behandlung seiner Patienten sind eingeflossen. Teil I beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Buddhismus und Kindheit, Teil II mit dem Thema Spiritualität und Kinder, und in Teil III werden die Lehren des Buddha und die kindliche Spiritualität gemeinsam betrachtet.

Alle Kinder sind auf der Suche nach Sinn, Zielen und Wahrheit. Das Buch ist keine abstrakte Darstellung einer Religion, sondern eine differenzierte Beschreibung dieser Suche nach innerem Halt in der heutigen realen Welt. Der Autor führt den Leser in das Thema Spiritualität und Religiosität bei Kindern ein und danach in die Gedankenwelt des Buddhismus. Dabei ermöglicht er uns auch vielfältige Einblicke in das komplexe Denken des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung und sondiert dessen Bedeutung für das heutige Aufwachsen von Kindern in einer säkularen Welt.

In gut verständlicher Sprache stellt er den historischen und den mythologischen Buddha vor, beschreibt den so wichtigen mittleren Weg zwischen "Gewöhnung und Askese" und fügt dies mit der "Individuation und dem Numinosen" nach C.G. Jung zusammen. Das führt in den abschließenden Kapiteln zu einer zeitlosen Beschreibung der 4 edlen Wahrheiten und des achtfachen Pfades der Lehren des Buddha, die eine interpersonelle Spiritualität ermöglichen.

Im Gegensatz zur Botschaft des Neuen Testamentes scheint der Buddhismus primär die Kindheit wenig zu berücksichtigen, ja sogar familienfeindliche Aspekte zu haben. Kinder müssen nichts glauben und akzeptieren, sondern nur kritisch hinterfragen. Dabei stehen sie in einer zeitlosen Dichotomie von Gewinn und Verlust, Erfolg und Versagen, Lob und Tadel sowie Lust und Leid. Hindernisse zur Spiritualität sind u.a. Begehren, Ärger, Trägheit, Unruhe und Zweifel.

Moderne wissenschaftliche Studien zeigen, dass gerade heute Kinder auf der Suche nach sinngebenden Zielen und Wahrheiten offen für Spiritualität sind und damit einen protektiven Faktor gegen Depression und Substanzmissbrauch haben.

Wiederholt werden sprachliche Feinheiten, z.B. der Unterschied zwischen "Leere und Leerheit" oder von Sympathie und Empathie herausgearbeitet. Neben den belebenden Einschüben aus den persönlichen Erfahrungen bietet das Buch auch kluge Zitate aus der modernen, überwiegend englisch-amerikanischen und skandinavischen Weltliteratur.

Allen, die sich mit dem Erwachen spiritueller Gedanken bei Kindern und deren Steuerungsmöglichkeiten in einer säkularen Welt beschäftigen, insbesondere Eltern, Therapeutinnen/Therapeuten und Ärztinnen/Ärzten möchte ich dieses Buch empfehlen.

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Autor
Prof. i.R. Dr. Hans Michael Straßburg, Gerbrunn

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2021; 92 (6) Seite 436