Sind die Auffrisch-Impfungen gegen Keuchhusten in jüngster Zeit vernachlässigt oder vergessen worden? Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) deuten viele Indikatoren darauf hin.
Nach vorliegenden Erkenntnissen erhalten insbesondere Jugendliche nicht im erforderlichen Maße die empfohlenen Auffrischimpfungen im Alter von 9 bis 16 Jahren, moniert das RKI. Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät zu einer dreiteiligen Grundimmunisierung für Säuglinge sowie je eine Auffrischimpfung im Alter von 5 bis 6 Jahren und von 9 bis 16 Jahren. Doch gerade die letzte Auffrischimpfung im Jugendalter scheint nicht mehr so gut an- und wahrgenommen zu werden.
Anders sei es kaum zu erklären, dass seit dem Frühjahr die Zahl der Keuchhusten-Erkrankungen vor allem bei Jugendlichen angestiegen ist. Nach Zahlen aus dem RKI wurden im ersten Halbjahr bereits 2.421 Fälle bei den 10- bis 14-Jährigen und 2.168 Fälle bei den 15- bis 19-Jährigen registriert. Das ist jeweils der höchste Stand seit zehn Jahren. Zum Vergleich: 2019 gab es zu vergleichbaren Zeiten lediglich 713 und 523 Fälle in diesen Altersgruppen. Somit hat sich die Erkrankungszahl bei den älteren Jugendlichen in einem Zeitraum von 5 Jahren mehr als vervierfacht.
Zwar räumen das RKI und der BVKJ ein, dass die Keuchhusten-Erkrankungen natürlichen Schwankungen unterliegen und auch der Nachholeffekt nach Corona berücksichtigt werden müsse. Dennoch seien die Erkrankungsraten viel zu hoch. Selbst bei den Neugeborenen sind die Fallzahlen aktuell ungewöhnlich hoch, was laut RKI insbesondere für die Pädiater „aufgrund der Schwere der Krankheitsverläufe in diesem Alter das größere Problem darstellt.“ Deshalb sollte künftig vom Säuglings- bis ins höhere Jugendalter von den Kinder- und Jugendärzten verstärkt und genau auf den aktuellen Stand des Pertussis-Schutzes geachtet werden.
Raimund Schmid