Ein hochaktuelles wissenschaftliches Programm wartet auf Sie beim diesjärigen Kongress für Kinder- und Jugendmedizin, das dieses Jahr unter dem Motto "Kinder- und Jugendgesundheit" steht. Hier ein Blick auf die Themen von Professor Thorsten Langer. Den Beitrag zum Workshop-Angebot am 18.09. finden Sie hier.
Als Programmplaner hat man wirklich die Qual der Wahl. Es gibt so viele wichtige und interessante Themen, die es verdient hätten, im Programm zu stehen. Aber glücklicherweise ist man ja nicht allein und muss nicht alles im stillen Kämmerlein überlegen. Vielmehr gibt es zahlreiche motivierte und inspirierende Kolleginnen und Kollegen, die dankenswerterweise mit ihren Ideen zu einem hoffentlich für alle interessanten und abwechslungsreichen Programm beitragen.
Als DGSPJ richten wir 13 Symposien aus. Es würde den Rahmen sprengen, jedes Symposium hier vorzustellen. Informieren Sie sich daher gerne über das aktuelle Programm und planen Sie Ihren Kongressbesuch unter www.dgkj-kongress.de.
Dennoch möchten wir an dieser Stelle die Symposien vorstellen, in denen wir versucht haben, neue Trends aufzugreifen, die es so vermutlich noch nicht gab.
Partizipation von Patienten und Familien
Die Frage, wie betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien in ihrer Versorgung mitbestimmen können, begleitet die Sozialpädiatrie schon lange. Obwohl Patienten und Eltern häufig bessere Experten in eigener Sache sind, werden sie oft nur unzureichend und nicht auf Augenhöhe beteiligt. Das "chronic care"-Modell, "shared-decision-making", Patientenschulungen und andere Konzepte haben gemeinsam, Patienten in ihrer Verantwortung und Autonomie zu stärken. Damit können die traditionelle Wissensasymmetrie und das Machtgefälle zwischen professionellen Behandlern und Patienten bzw. Familien häufig besser ausbalanciert werden. Nichtsdestotrotz sind Veranstaltungen wie dieser Kongress bislang von Ärzten dominiert. Das Erfahrungswissen und die Perspektiven von Betroffenen erhalten zumeist wenig Raum. Wenn sie thematisiert werden, dann oft in Form von Forschungsergebnissen.
Dieses Jahr gibt es insofern eine Premiere, weil ein Symposium zum Thema Beteiligung von Patienten und Familien in der Forschung vom Kindernetzwerk als Dachverband der pädiatrischen Selbsthilfeorganisationen geplant und moderiert wird. Ernstgemeinte Beteiligung in der Forschung kann nur funktionieren, wenn sie auf Augenhöhe passiert. In diesem Symposium versuchen wir genau das. Schauen Sie doch mal rein!
Partizipation von Kindern
In einem zweiten Symposium zum Thema Partizipation gehen die Referenten der Frage nach, wie Kinder strukturell an ihrer Versorgung beteiligt werden können. Spätestens die Erfahrungen der Pandemie haben gezeigt, dass Kinder – wenn es hart auf hart kommt – kaum gehört werden. Wie kann es gelingen, Kinder an der Entwicklung von Versorgungsangeboten zu beteiligen und damit ihre Bedürfnisse strukturell und organisatorisch besser zu berücksichtigen? Ein hochspannendes Thema mit viel Potenzial, zu dem es noch mehr Fragen als Antworten gibt.
Innovation und Zukunftsorientierung
Vielerorts wird gegenwärtig von Permakrise gesprochen, d. h. von der Krise als Dauerzustand. Die Klimakrise, anhaltende Migrationsströme, Kriege oder der Fachkräftemangel führen zu Instabilität und erschwerter Planbarkeit. Digitalisierung und künstliche Intelligenz halten in hohem Tempo Einzug. Und gleichzeitig ist schon jetzt die kinder- und jugendärztliche Versorgung in vielen Gegenden unzureichend. Kita-Plätze – ob als Regel- oder Integrativplatz – fehlen allerorten. Was bedeutet diese Situation für die Sozialpädiatrie der Zukunft? Es scheint eindeutig, dass in Zeiten größerer sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit die Sozialpädiatrie bedeutsam bleiben wird.
"SPZ 2050"
Wie die SPZ-Versorgung der Zukunft aussehen könnte, wird im Symposium "SPZ 2050" exploriert. Auch hier gehen Sie hoffentlich mit mehr Fragen als Antworten wieder heraus. Ein besonderes Highlight in diesem Zusammenhang dürfte der Live-Podcast der Expertise-Piraten werden. Zum Thema "Kindermedizin braucht Wandel: Innovation & Change Management im Gesundheitswesen" werden Kai Hensel und Sebastian Schröder zwei Innovationsexperten interviewen. Christoph Backes kommt aus der Kreativwirtschaft und ist Experte für soziale Innovationen. Tobias Gantner ist Arzt, Jurist und unglaublich umtriebig, um vor allem technische Innovationen auf den Weg zu bringen. Was können wir in unserem eher behäbigen Gesundheitswesen von anderen agileren Branchen lernen?
Sozialpädiatrie, Versorgungsforschung und Politik
Als Sozialpädiater sind wir nahezu täglich mit den Auswirkungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen konfrontiert, in denen Kinder aufwachsen. Wir kennen die Förder- und Unterstützungssysteme und häufig lotsen wir die Familien in diesem Dschungel aktiv. Wir sehen soziale Ungleichheit und strukturelle Benachteiligung und feiern die Erfolge, wenn Kinder und Jugendliche trotz oftmals widriger Umstände "ihren Weg" finden und gehen. Doch wo endet unser Auftrag als Sozialpädiater, wenn wir so viele Einblicke und Erfahrungen haben? Gibt es ein Tätigkeitsfeld außerhalb des Sprechzimmers? Und wenn ja, wie können wir unsere ärztliche Stimme artikulieren (ohne automatisch selbst zu Politikern zu werden)?
In der Versorgungsforschung wird auf andere Weise Wissen generiert und es werden Konzepte erarbeitet, wie Versorgung und Gesundheit verbessert werden können. Zur wirksamen Umsetzung braucht es jedoch immer eins – politischen Willen.
Zwei Symposien beschäftigen sich mit dem Thema des policy impacts – einmal aus Sicht der Versorgungsforschung und einmal aus der genuin ärztlichen Perspektive. Frei nach Rudolf Virchow, der einst sagte: "Medizin ist eine soziale Wissenschaft und die Politik ist weiter nichts als Medizin im Großen".
Beim Blick ins Programm werden Sie weitere Symposien entdecken, die hoffentlich Ihr Interesse wecken. Es geht um Kinderschutz, Prävention, Gesundheitskompetenz, die Situation von Kindern in bewaffneten Konflikten und Long-COVID. Außerdem werden von der DGSPJ der Stefan-Engel-Preis, der Posterpreis sowie der Förderpreis für Transkulturelle Pädiatrie vergeben. Das Rahmenprogramm verheißt Spaß und lockeren Austausch und bei der Vollversammlung der BAG SPZ sowie der Mitgliederversammlung der DGSPJ erfahren Sie die aktuellen Infos zu den Verbandsthemen. Zum traditionellen "Get together" Sozialpädiatrie treffen wir uns am Mittwoch um 19:30 Uhr im Restaurant "OhJulia".
Wir hoffen, dass Sie viel Passendes und Interessantes für sich finden und freuen uns darauf, Sie beim Kongress persönlich begrüßen zu dürfen!
Mit freundlichen Grüßen für die DGSPJ, Prof. Dr. med. Thorsten Langer, Wissenschaftlicher Leiter der DGSPJ-Jahrestagung 2024
Prof. Dr. med. Thorsten Langer
Universität Freiburg, Leitung Sozialpädiatrisches Zentrum
Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
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Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (4) Seite 300-301