In einer australischen Untersuchung wurde analysiert, wie verschiedene Sauerstoffkonzentrationen die Überlebenschance von Frühgeborenen direkt nach der Geburt beeinflussen.

Die Leitlinie des European Resuscitation Council (ERC) sieht zur Versorgung und Reanimation von Frühgeborenen ab der Schwangerschaftswoche 28+0 bis 31+6 eine Sauerstoffstartkonzentration von 21 – 30 % vor. Für Frühgeborene unter 28+0 Schwangerschaftswochen wird eine Sauerstoffstartkonzentration von 30 % empfohlen. In einer australischen Untersuchung wurden 1.055 Frühgeborene (< 32 SSW) analysiert, die nach der Geburt verschiedene Sauer­stoffkonzentrationen erhalten hatten. Insgesamt wurden drei Gruppen in die Studie eingeschlossen: eine Gruppe, die ca. 30 % Sauerstoff erhielten (niedrig), eine mit einer mittleren Sauerstoffkonzentration (ca. 50 – 65 %) und eine mit einer hohen Konzentration (ca. 90 %).

Frühgeborene, welche initial eine hohe Sauerstoffkonzentration (≥ 90 %) erhielten, hatten signifikant höhere Überlebenschancen als diejenigen mit niedrigeren (≤ 30 %, Odds Ratio 0,45 (95 % credible interval 0,23 – 0,86) oder mittleren Konzentrationen (Odds Ratio 0,34; 95 % credible interval 0,11 – 0,99). Neben der Mortalität wurde auch der Effekt auf Komplikationen, wie bronchopulmonale Dysplasie, schwere intraventrikuläre Blutungen und Frühgeborenenretinopathie untersucht. Hierzu waren keine sinnvollen Aussagen möglich.

Die Autoren weisen mit ihrer Studie daraufhin, dass hohe Sauerstoffkonzentrationen jedoch nur kurzzeitig appliziert werden sollten, um eine Hyperoxie zu vermeiden. Es sei entscheidend, welche Sauerstoffkonzentration Frühgeborene in den ersten 10 Lebensminuten erhalten. „Wenn wir sicherstellen, dass Frühgeborene von Anfang an die richtige Behandlung erhalten, verhelfen wir ihnen damit zu einem Start in ein gesundes Leben. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt einzugreifen, als direkt nach der Geburt“, so der Erstautor der Studie Sotiropoulos. Die richtige Balance, genügend Sauerstoff zu geben, um Todesfälle und Behinderung zu vermeiden ohne lebenswichtige Organe zu schädigen, sei noch nicht gefunden.

Kommentar:
Diese Studie steht im Gegensatz zu den aktuellen ERC-Empfehlungen. Auch hier erscheint die Welt nicht „schwarz-weiß“ zu funktionieren. Eine generelle Freigabe von Reanimationen mit „viel Sauerstoff“ kann aus der Studie nicht abgeleitet werden, wohl aber ein sequenzielles Verfahren. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Ergebnisse mit anderen Untersuchungen bestätigen lassen.

Quelle: Sotiropoulos JX et al. (2024) Initial Oxygen Concentration for resuscitation of infants Born at Less Than 32 Weeks Gestation. JAMA Pediatr doi:10.1001/jamapediatrics.2024.1848
Bericht, DÄB, 15. Juli 2024


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (1) Seite 8