In der Ausgabe 26/2024 des Epidemiologischen Bulletins hat die STIKO eine RSV-Prophylaxe bei Säuglingen mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab (Beyfortus®) als Einmaldosis vor bzw. in ihrer ersten RSV-Saison empfohlen. Wissenswertes dazu in Kürze und ein Kommentar von Professor Markus Knuf.

Säuglinge, die zwischen April und September geboren sind, sollen Nirsevimab möglichst im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erhalten. Neugeborene, die während der RSV-Saison (typischerweise zwischen Oktober und März) geboren werden, sollten Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt erhalten. Neugeborene und Säuglinge sind in ihren ersten 6 Lebensmonaten besonders gefährdet, schwer an RSV zu erkranken. RSV-Infektionen sind die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen von Säuglingen in Deutschland.

Abbildung 1 gibt den Zeitpunkt der Verabreichung von Nirsevimab im ersten Lebensmonat unter Berücksichtigung des Geburtsmonats wieder.

Die wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung der spezifischen Prophylaxe von RSV-Erkrankungen mit Nirsevimab bei Säuglingen in ihrer ersten Saison fußt sehr wesentlich auf der Epidemiologie. Insbesondere die Inzidenz der stationär behandelten RSV-Infektionen in Deutschland ist in den ersten Lebensmonaten besonders hoch (bis über 50 je 1.000). Die Verfügbarkeit einer hochwirksamen Prophylaxemöglichkeit hat zur Empfehlung geführt. In Tabelle 1 ist die Wirksamkeit von Nirsevimab zur Prophylaxe von RSV-assoziierten unteren Atemwegserkrankungen bei Säuglingen im Alter < 1 Jahr gegen verschiedene Endpunkte (gepoolte Analyse) wiedergegeben.

Ein Kritikpunkt bei der Empfehlung ist ein möglicher Einfluss von Nirsevimab auf die Entwicklung der natürlich erworbenen Immunität. Die STIKO legt mit verschiedenen Publikationen dar, dass auch nach Nirsevimabprophylaxe inapparente Infektionen eine Immunantwort gegen RSV auslösen. Die Daten beziehen sich auf die ersten beiden Lebensjahre. Die Häufigkeit RSV-bedingter Atemwegserkrankungen in der zweiten RSV-Saison war gering und im Vergleich zu Placebo-Empfängern zeigten sich auch hinsichtlich der Schwere der Erkrankung keine Unterschiede. Die STIKO führt aus, dass bisher keine Hinweise vorliegen für eine Verschiebung der Krankheitslast nach Nirsevimabprophylaxe von Säuglingen in das zweite Lebensjahr hinein. Allerdings liegt hierzu bislang nur eine Studie vor.

Kommentar:
Mit atemberaubender Geschwindigkeit hat die STIKO nach Vorliegen von Studiendaten und sogenannten „Real-world-Daten“ aus Spanien, Frankreich, Luxemburg und den USA eine Empfehlung zur RSV-Prophylaxe bei Säuglingen mit Nirsevimab ausgesprochen. Der Empfehlung liegt ein umfangreiches Entwicklungsprogramm vor Zulassung von Nirsevimab zugrunde. Es liegt in der „Natur der Sache“, dass eine begleitende Forschung den Einfluss dieser Prophylaxe auf das „Ökosystem Säugling“ dringend untersuchen sollte. Eine Reihe von Fragen sind offen, nicht zuletzt auch zur Entwicklung der natürlich erworbenen RSV-Immunität im längeren Verlauf und insbesondere auch zur Implementierung von Nirsevimab. Zwar soll die Prophylaxe mit Nirsevimab zur Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden, die Honorierung soll nach aktueller Planung über die allgemeine Versichertenpauschale abgedeckt werden. Die hierzu vorgetragene Kritik ist mehr als berechtigt. Im Krankenhaus soll die Regelung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) greifen. Auch hier ergeben sich Lücken in Sachen Personal- und Sachkosten. Darüber hinaus bedarf es einer Informationskampagne bereits während der Schwangerschaft um postnatal nicht „plötzlich“ mit einer solchen Prophylaxe im Kinderzimmer bei den frischgebackenen Eltern aufzufallen.

Literatur
n.n., RKI (2024) Epidemiologisches Bulletin Nr. 26/2024


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (5) Seite 222